nächst herausgeben. Nun, jrvir dürften uns nur freucn, wcnn unsere Jugend
nicht mehr miWen widerwärtigen Siegesberichten eines Cäsar und der parteiisch
gefärbten Dialektik in den Prozeßreden eines Cicero oder der für einen
Sechzehnjährigen so geeigneten Rede über das Greiscnalter beglückt würde, sondern
dasür jene Chrestomathie in die Hände bekäine. Aber ach, das sind unbeschei-
dene Hoffnungen; nur neben den VerrinischenReden u. a. soll das neue Buch
seinen Platz finden; also das Prinzip des kleinsten KraftmaßeS muß auch hier
peinlich beobachtet werden. Als oberste Bedingung für den Schulunterricht
in der Archäologie stellt der Verfasser hin, daß die Jugend vor allem einen
Begriff erhalte von der vorherrschenden Stellung, welche die Kunst im Leben
der alten Völker gehabt hat. Das sei zugestanden, indes können wir uns mit
der einseitigen Bewundcrung der Antike, welcher der Verfasser Raum gibt,
denn doch nicht befreuuden. Warum muß aller Schatteu im Leben dcr
Griechen (z. B. das Wesen der Sklavcrei, die allein die hohe Kultur der Athener
ermöglichte) verborgen und der Jugend noch immer das Gaukelbild ciner
fleckenlosen Vollkommenheit vorgeführt werdcn, und warum bringt man noch
immer die falschen Vcrgleiche der Antike mit der Neuzeit — z. B.: „Was sind
die Siegesgöttinneu, die der moderne Patriotismus hier und da gcschaffen, im
Vergleich mit dieser Nike!"? Wir wollcu nicht einmal auf die sechs kranz-
werfenden Viktorien von Rauch in dcr Walhalla zu Regensburg verweisen —
aber wie töricht ist der Vcrgleich eincs so hochstehenden Werkes mit gemeiner
Dutzendware! Glaubt der Verfasser etwa, bci den antiken Völkern sei nicht
auch Kunstschund fabriziert worden?, seien nicht auch gewaltige Uuterschicde
zwischen den besten und den geringsten Kunstwerken? Ebenso verfehlt ist die
Gegenüberstellung der modernen Kunstbcstrcbungen mit dcnen dcr alten Griechen
am Schlusse des Buches. Es spricht wirklich kein großeS Vcrständnis für die
moderne Kunst aus der Aeußerung, sic suche ihre unendliche Anfgabc in der
wirklichcn gegenwärtigen Welt mit all ihrer Häßlichkeit, Bcdürftigkeit und
Verkommenheit! Klingcr, Böcklin, Hildebrand, Diez, Puvis de Chavanncs, die
Präraffaeliten u. v. a. — sind sic dem Verfasser ganz unbckannt gcbliebcn?
Dafür sucht er scinen Ruhm in dem Nachweis, wie falsch dic Behauptung sei,
den alten Römern sei der Sinn sür die Kunst abgegangen, vielmehr sei ein
ticferes Kunstverständnis und eine sehr leidenschaftliche Kunstlicbe im Volke
lebendig gewesen. Wir glauben, daß auch dicser Hieb daneben fällt. Daß den
Römern mit dem Raub der gricchischen Kunstwerke auch die Freude an der
Kunst gekommen sei, wird wohl niemand bestritten habcn; wohl aber und mit
Recht hat man bchauptet, daß die Nömer, abgesehen von der Architektur, künst-
lerisch keine Schöpfer waren. Nur nach der rcalistischen Scitc, die dcm Ver-
sasser freilich in der modernen Kunst so mißfällt, habcn dic Rümer bekanntlich
auf dem Gebiete der Bildnisplnstik Selbstäudiges gelcistct.
Paul Schuinauii.
82
nicht mehr miWen widerwärtigen Siegesberichten eines Cäsar und der parteiisch
gefärbten Dialektik in den Prozeßreden eines Cicero oder der für einen
Sechzehnjährigen so geeigneten Rede über das Greiscnalter beglückt würde, sondern
dasür jene Chrestomathie in die Hände bekäine. Aber ach, das sind unbeschei-
dene Hoffnungen; nur neben den VerrinischenReden u. a. soll das neue Buch
seinen Platz finden; also das Prinzip des kleinsten KraftmaßeS muß auch hier
peinlich beobachtet werden. Als oberste Bedingung für den Schulunterricht
in der Archäologie stellt der Verfasser hin, daß die Jugend vor allem einen
Begriff erhalte von der vorherrschenden Stellung, welche die Kunst im Leben
der alten Völker gehabt hat. Das sei zugestanden, indes können wir uns mit
der einseitigen Bewundcrung der Antike, welcher der Verfasser Raum gibt,
denn doch nicht befreuuden. Warum muß aller Schatteu im Leben dcr
Griechen (z. B. das Wesen der Sklavcrei, die allein die hohe Kultur der Athener
ermöglichte) verborgen und der Jugend noch immer das Gaukelbild ciner
fleckenlosen Vollkommenheit vorgeführt werdcn, und warum bringt man noch
immer die falschen Vcrgleiche der Antike mit der Neuzeit — z. B.: „Was sind
die Siegesgöttinneu, die der moderne Patriotismus hier und da gcschaffen, im
Vergleich mit dieser Nike!"? Wir wollcu nicht einmal auf die sechs kranz-
werfenden Viktorien von Rauch in dcr Walhalla zu Regensburg verweisen —
aber wie töricht ist der Vcrgleich eincs so hochstehenden Werkes mit gemeiner
Dutzendware! Glaubt der Verfasser etwa, bci den antiken Völkern sei nicht
auch Kunstschund fabriziert worden?, seien nicht auch gewaltige Uuterschicde
zwischen den besten und den geringsten Kunstwerken? Ebenso verfehlt ist die
Gegenüberstellung der modernen Kunstbcstrcbungen mit dcnen dcr alten Griechen
am Schlusse des Buches. Es spricht wirklich kein großeS Vcrständnis für die
moderne Kunst aus der Aeußerung, sic suche ihre unendliche Anfgabc in der
wirklichcn gegenwärtigen Welt mit all ihrer Häßlichkeit, Bcdürftigkeit und
Verkommenheit! Klingcr, Böcklin, Hildebrand, Diez, Puvis de Chavanncs, die
Präraffaeliten u. v. a. — sind sic dem Verfasser ganz unbckannt gcbliebcn?
Dafür sucht er scinen Ruhm in dem Nachweis, wie falsch dic Behauptung sei,
den alten Römern sei der Sinn sür die Kunst abgegangen, vielmehr sei ein
ticferes Kunstverständnis und eine sehr leidenschaftliche Kunstlicbe im Volke
lebendig gewesen. Wir glauben, daß auch dicser Hieb daneben fällt. Daß den
Römern mit dem Raub der gricchischen Kunstwerke auch die Freude an der
Kunst gekommen sei, wird wohl niemand bestritten habcn; wohl aber und mit
Recht hat man bchauptet, daß die Nömer, abgesehen von der Architektur, künst-
lerisch keine Schöpfer waren. Nur nach der rcalistischen Scitc, die dcm Ver-
sasser freilich in der modernen Kunst so mißfällt, habcn dic Rümer bekanntlich
auf dem Gebiete der Bildnisplnstik Selbstäudiges gelcistct.
Paul Schuinauii.
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