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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

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Heft 3 (1. Novemberheft 1897)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0095

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noch rm Todc verwunden. Nuu deun, beharrt; thut so weh, wie mau eiuem
kühlen, dahinglciteudeu Schatten ,thun kann. Kindheit, Jugend, reifes Alter,
Allcs vergangen, Alles wie gehüllt in die Nebelschleicr des Traums. Ver-
gangcne Freuden, überstandene Leidcn sind wie gcträumte Freuden und Leiden.

Nun wiedcr an der Glasthür angelangt und einen Blick hinaus ge-
worfen ins Dunkcl; ein Wagen rollt. Die Hunde schlagen an. Jauchzendes
Gebell. So begrüszen sie nur Einen. Große, wuchtige Schritte kommcnrasch
über die Brücke. Jst er's? Ja, das ist die gcliebte Wirklichkcit. Eine hohe
Gcstalt tritt in dic Thür:

„Aber Marie," sagt dcr bestc aller Brüder, „so spät noch auf dem Gange,
du mnszt dich ja erkälten." (Aus „Alte Schule", vgl. Besprechung.)

Linc gute Satire.

„Die Vorgängc geschehen in einer kleinen Stubc. Die linke Wand
nehmen ein: cinc Chaiselongue und ein Lescstuhl, zwischen beiden ein Tisch mit
stcisen Bcincn; auf diescm steht ein chinesisches Theegeschirr, jede der drei
Tasscn zeigt cinc anderc Form. Zigaretten; zwei japanische Steingutvasen
diencn als Aschenbehälter. Auf der rechten Wand: ein Büchergestell, cin
Manuskripttisch, der Schreibtisch, die Schreibunterlage zeigt innig-rostrotcs
Löschpapier, desgleichcn der Löscher. Ein kleiner Behälter bewahrt die Briefe
dcrer, die der Bewohner lieb hat, dic Federhalter tragen die Federn derer, die
dcr Bcwohner licb hat, ein altes japanisches Skizzenbuch aus dem Anfang
des vorigen Jahrhunderts liegt auf der Eckc; das Tintenfasz trug einst ein
ägyptischcr Schristgclchrter in seinem Gürtel; viclleicht vor langcr Zeit.

Ueber der Thür hängt das Plakat von Melchior Lechter, am Schreibtisch
und über der Chaiselongue zwei Künstlerdruckc desselben Künstlers: „lll-us^
und „Uos-I rnvstica". Zu ebenem Bodcn hängen sich zwei Plakate gegenüber:
„LbampLgoe Llumw" und Zob", xiue schlanke Dame mit dem Champagner-
kelch m der Hand; ein Schornstcinfegcr, Zigarrctten drchend. Eine Photo-
graphie nach dem Karton „Abhängigkeit" von Sascha Schneider schmückt in
schmal-langem braunen Rahmen den Ofen; in der Ecke Klingcrs „Quelle" und
Liebermanns „Bicrgartcn".

Seidenstickereien, Scidentücher liegen auf einfachen Sammelmappen.

Das Büchergestell wird übcrragt von einem einsachen Holzkreuz, davor
ein brauner, verschwiegencr Schrein, daneben zwei schlanke Leuchter. Ueber
dem Theetisch trägt cine kurzdicke Bronzevase mit viereckiger Oeffnung eine
gelbe Altarkerze. An der Decke zieht sich ein brciter Streifen japanischen
Stoffes entlang, wie ein Fries, mit langen Enden zuwcilcn herabhängend, um
das Ganze gleichsam einzufassen. Wer Lust hat, mag noch von Walter Leisti-
kow, von Franz Melchers und Lesser Ury und andercn tiefen träumen; in einer
Mappe liegen all ihre Thränen; all ihre stillen Gcdanken."

Kann man lustiger schildern, wie sich die Kraut- und Nübenzucht im
^kopf eines modernen Kunstgigerls in seiner Umgcbung abspiegelt? Jch war
entzücki, als ich das in Ernst Schurs Buch „Seht, es sind Schmerzen, an
denen wir leiden", gelesen hatte, einer bei Schuster u. Löfsler in Berlin er-
schienenen Satire auf die Allerneuestcn, deren Titcl in seinem Tiefsinn ja schon
viel verspricht- Und die Ausstattung des Vuches — nicht einmal Seitenzahlen,
"uf manchen Seiten nur ein Jnterpunktionszeichen, auf andern gar nichts, auf
dritten zwei Wörter u. s. w. — herrlich! Zur weiteren „Einführung" in das
Ganze lesen wir aber wohl am besten das Dialogstück:

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