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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

DOI Heft:
Heft 4 (2. Novemberheft 1897)
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Schultze-Naumburg, Paul: Berliner Kunstleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0131

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oprimistischen noch psssimistischen Gedanken hingeben; auf alle Fälle aber liegen
hier Keime genug, dic ihrer Entwicklung harren, und eine glänzende Ernte
geben könnte n.

Es ist ein so einfaches Rechenexempel: die Kunst kann ohne den Mammon
nicht gedeihen, und wenn dieser nun auch keine Kunst großziehen kann, so geht
sie ohne ihn doch auch zu Grunde. Das letztere wird in München der Fall
sein. Noch nicht in den nächsten Jahren; daoor ist es durch eine fünfzig-
jührige Tradition bewahrt. Wie abcr die Verhältnisse in München jetzt liegen,
ist cine normale Weitcrentwicklung wirtschastlich unmöglich. Eine Stadt von
noch nicht einer halbcn Million, die, streicht man die Kunst, in Deutschland
kcine sonderlich wichtige Rolle spielt, kann ohne innigste Teilnahme der Be-
völkerung oder des Fürstenhauses oder wenigstens des Kunst-
handels die grösste Zahl dcutscher Künstler (die sich ja hier konzentrieren) nicht
tragen. Alle drci Faktoren „vcrsagcn" aber in München zum großcn Teil, und
auch die ncugcgründeten Zcitschriften können dem allgemeincn Mißstand nur in
einem beschränktcn Krcis aühelfen. Die Verküufe in den großen Sommer-
ausstellungen, von denen übrigens doch nur ein Tcil München zukommt, öe-
deuten leider anch so ziemlich den Umsatz und sind im Vcrhältnis zu der An-
zahl der Künstler cine Bngatelle. Auf diese Weise m u ß die Ltunststadt
München langsam ihrcm Endc entgegengehen, und dann wcrden die guten
Münchcner Bürger sich verwundcrt ansehen und nicht begreifen kvnnen, wie
ihnen das passieren konnte.

Dic Künstler abcr werdcn sich über ganz Deutschland verbreiten, und es
rvüre gut, wenn das geschähe. Die ästhctischc Erziehung, an der es noch bei-
nahe gänzlich fehlt, kann weder durch Zeitschristen, noch durch Lchrer, noch
durch Ausstellungen sv gut geschehen, wie durch den persvnlichen Vcrkehr mit
Künstlern, durch die lebcndige Teilnahme an ihrem Schaffen. Und wiedernm
wäre dem Künstlcr ein engercr Anschlnß an seine Heimnt, nn nationale Eigen-
art nur von Vorteil. Es wäre ein Segen, wenn diese künstlerische Befruchtung
sich über alle Großstädte und sonstigen wirtschaftlichen Zcntren Deutschlands ver-
breitcte. Und in crster Linic kämc da doch wohl Berlin in Frage. So sehr
auch einc wirklichc Volkskunst zu crhoffen nnd zn erstrebcn ist: der Reichtum
wird doch in Kunstsachcn vorlüufig noch sehr viel thnn müsscn, und was das
Geld nnbelangt, so ist es wohl kcine Frage, daß Berlin die Knnstmctrvpole
München auffresson wird.

Die Novemberausstellung bci Schulte ist eine vornehme kleine Vcreini-
gung von meistenteils solchen Werken, die in Berlin ihren Ursprung haben. Ein
Teil davon beweist, daß auch hier cine modcrne Knnst im bestcn Sinne cntstehcn
kann; warnm sollte aus dem kleinen Umfang nicht nnch hier cin grvßerer
werdcn könncn? Ein Hinzutreten von Bncheinbänden, lternmik, Kleinvlastik n.s.w.
zcigt die Bcteiligung an den Problemcn, die in dcr Lust liegcn.

Bei Gurlitt hat cinc Vereinigung jüngerer Hamburgc r kollcktiv aus-
gestellt. Bci ihnen müchte man fragcn: wo waren diese Maler während der
letzten fünf Jahre? Denn sie führcn uns eincn Ueberblick über all die tastendcn
Versuche und Jrrwege vor, aus dcncn man sich anfangs der yoer Jahre noch
befand. Zudem sind diese Stndicn (dcnn solche sind cs durchweg) lange nicht
gut odcr persönlich genug, um ihre Zurschaustellnng zu rechtfertigen. Bei allc-
dem steckt viel Gesundheit und ehrlichcö Streben in den Arbeitcn, die für
spütcr Gutes crhoffen lassen. Nur war die Ausstellung weder sür die Ham-
burger noch fttr das Publikum günstig, das nun wieder von neuem sich mit

>ei
 
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