Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0147
DOI Heft:
Heft 5 (1. Dezemberheft 1897)
DOI Artikel:Der Weihnachtsbüchermarkt
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Der^Meibnacbtsbücbermarkt.
Die Zeit, die wir Deutschen so herzlich lieben, die Vor-Weihnachts-
zeit ist wieder da, und jedes Schaufenster zeugt davon. Auch die Buch-
händlerauslagen thun das. Denn während die Gebildeten anderer
Völker Monat ein Monat aus ein Bescheidenes zum Buchhändler tragen
und vor Weihnachten nur ein wenig mehr, ist ja sür den Deutschen der
Bücherladen elf Monate lang ein Rührmichnichtan. Jm zwölsten erst bleibt
er davor stehen, nun jeden Tag eine halbe Stunde länger, und endlich
reift in ihm der große Entschluß, er tritt ein, um „es" zu kaufen, das
Weihnachtsbuch. Jch weiß nicht, ob wir eine Statistik darüber haben,
den aber will ich sehen, der meine Behauptung lügen straft: von Lehr-,
Kurs- und streng wissenschastlichen Büchern abgesehen, werden elf unter
zwölfcn in dcutschen Landen im Dezember gekauft.
Wir sind an diese Erscheinung so sehr gewöhnt, daß wir uns
kaum jemals fragen: ist sie cigentlich zum Schaden oder zum Nutzen?
Sie ist eben so, denkt man, sie ist so verwachsen mit all unsern Ge-
wohnheiten, daß sie sich doch nicht ändern ließe, sie ist „selbstverständ-
lich" , und darob nachzusinnen, hätte so viel Zweck, wie nachzusinnen,
ob es „gut" oder „schlecht" sei, daß der Mensch sterblich ist. Auch wir
glauben: man muß mit ihr als mit einer Thatsache rechnen. Aber wir
denken, gerade darum sollten wir uns einmal fragen, was diese That-
sache für Folgen hat, damit wir dicsen Folgen, falls es schlimme sind,
nach Möglichkeit entgegenwirken.
Die nächste Folge des Bücherkaufens vor Weihnachten ist ja nun
die, daß die große Mchrheit der Bücher vor Weihnachten erscheint.
Kaum ist die Fricdenszeit der sauren Gurken vorüber, so zieht im
Kontor des Vcrlegers ein ncues Leben ein, das sich nunmehr in raschem
Zuwachs steigert, mie bei seincn verbündeten Mächten, den Druckern
und Buchbindern. Wer's nicht weiß, der ahnt's nicht, welch ein steber-
haftes Treiben jetzt da waltet, gesteigert von Woche zu Woche, bis
schließlich zur atemloscn Hatz. Einrichtungen und Menschenkräfte, die
Die Zeit, die wir Deutschen so herzlich lieben, die Vor-Weihnachts-
zeit ist wieder da, und jedes Schaufenster zeugt davon. Auch die Buch-
händlerauslagen thun das. Denn während die Gebildeten anderer
Völker Monat ein Monat aus ein Bescheidenes zum Buchhändler tragen
und vor Weihnachten nur ein wenig mehr, ist ja sür den Deutschen der
Bücherladen elf Monate lang ein Rührmichnichtan. Jm zwölsten erst bleibt
er davor stehen, nun jeden Tag eine halbe Stunde länger, und endlich
reift in ihm der große Entschluß, er tritt ein, um „es" zu kaufen, das
Weihnachtsbuch. Jch weiß nicht, ob wir eine Statistik darüber haben,
den aber will ich sehen, der meine Behauptung lügen straft: von Lehr-,
Kurs- und streng wissenschastlichen Büchern abgesehen, werden elf unter
zwölfcn in dcutschen Landen im Dezember gekauft.
Wir sind an diese Erscheinung so sehr gewöhnt, daß wir uns
kaum jemals fragen: ist sie cigentlich zum Schaden oder zum Nutzen?
Sie ist eben so, denkt man, sie ist so verwachsen mit all unsern Ge-
wohnheiten, daß sie sich doch nicht ändern ließe, sie ist „selbstverständ-
lich" , und darob nachzusinnen, hätte so viel Zweck, wie nachzusinnen,
ob es „gut" oder „schlecht" sei, daß der Mensch sterblich ist. Auch wir
glauben: man muß mit ihr als mit einer Thatsache rechnen. Aber wir
denken, gerade darum sollten wir uns einmal fragen, was diese That-
sache für Folgen hat, damit wir dicsen Folgen, falls es schlimme sind,
nach Möglichkeit entgegenwirken.
Die nächste Folge des Bücherkaufens vor Weihnachten ist ja nun
die, daß die große Mchrheit der Bücher vor Weihnachten erscheint.
Kaum ist die Fricdenszeit der sauren Gurken vorüber, so zieht im
Kontor des Vcrlegers ein ncues Leben ein, das sich nunmehr in raschem
Zuwachs steigert, mie bei seincn verbündeten Mächten, den Druckern
und Buchbindern. Wer's nicht weiß, der ahnt's nicht, welch ein steber-
haftes Treiben jetzt da waltet, gesteigert von Woche zu Woche, bis
schließlich zur atemloscn Hatz. Einrichtungen und Menschenkräfte, die