Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0219
DOI Heft:
Heft 7 (1. Januarheft 1898)
DOI Artikel:Avenarius, Ferdinand: Vom freien geistigen Schaffen
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0219
Vom kreien geistigen Lckntken.
Nuf dem Banket zu Ehren Karl Frenzels in Berlin hat der preu-
ßische Kultusminister Herr von Bosse eine merkwürdige Rede gehalten.
Mit immer neuer Betonung des Wortes „frei" pries er die Bedeutung
des „freien Schriftstellertums" der, „wenn der Ausdruck erlaubt ish nicht
zünftigen Arbeiter des Geistes". „Gewiß gehören auch Sie dem Staate
an und haben ein Recht an ihm. Aber umgekehrt hat der Staat kein
Recht und keine Macht über Sie, wenigstens nicht über Sie in Jhrem
Berufe als freie und unabhängige Schriftsteller. Frei und unabhängig
stehen Sie ihm gegenüber. Gott Lob, daß es so ist! Es gibt nur eine
Atmosphäre, in der die wurzelechte Arbeit des Geistes gedeiht, selbst die
staatliche, geschlossene und zünftige, das ist die reine Bergluft der Frei-
heit und vollen Unabhängigkeit." Die „hohe Bedeutung der freien,
von staatlichen Organisationen unabhängigen Geistesarbeit" ergebe sich
ja bei einem Ueberblick über ihre Entwickelung „handgreiflich". „Jeder
Schritt, auch der kleinste, den einer unseres Volkes auf der Bahn zur
Vertiefung und Entfaltung der geistigen und sittlichen Bildung unseres
Volkes und damit der Menschheit macht, ja jeder Schritt auf dieser Bahn,
der durch einen von Jhnen auch nnr ermöglicht und erleichtert und vor-
bereitet wird, ist schließlich doch ein Glied in der großen Lebenskette jener
gcistigen Herrlichkeit, die uns als ein ewiges Ziel vor Augen schwebt
und der wir alle, ein jeder an seiner Stclle, mit seinem Maß der Gaben
und des Könnens dienen und entgegenringen. Die staatliche Or-
ganisation oder gar die Regierung, das Beamtentum, als dessen
Vertreter Sie uns hier unter sich sehen, tritt dabei weit zurück
hinter die eigentlich schaffendcn Kräfte. Als Glieder un-
seres Volkes sind wir auf diesem Gebiete im wesentlichen nur Empfan-
gende, nicht Gebende." Freilich, der Schaffende brauche „offene Hände,
die dankbar seine Gaben hinnehmcn und sie verständnisinnig würdigen",
und so stelle sich eine Gemeinschaft auch mit „uns", den Regierungs-
leuten her. „Wir freuen uns dieser Gemeinschast mit Jhnen. Wenn
20?
Nuf dem Banket zu Ehren Karl Frenzels in Berlin hat der preu-
ßische Kultusminister Herr von Bosse eine merkwürdige Rede gehalten.
Mit immer neuer Betonung des Wortes „frei" pries er die Bedeutung
des „freien Schriftstellertums" der, „wenn der Ausdruck erlaubt ish nicht
zünftigen Arbeiter des Geistes". „Gewiß gehören auch Sie dem Staate
an und haben ein Recht an ihm. Aber umgekehrt hat der Staat kein
Recht und keine Macht über Sie, wenigstens nicht über Sie in Jhrem
Berufe als freie und unabhängige Schriftsteller. Frei und unabhängig
stehen Sie ihm gegenüber. Gott Lob, daß es so ist! Es gibt nur eine
Atmosphäre, in der die wurzelechte Arbeit des Geistes gedeiht, selbst die
staatliche, geschlossene und zünftige, das ist die reine Bergluft der Frei-
heit und vollen Unabhängigkeit." Die „hohe Bedeutung der freien,
von staatlichen Organisationen unabhängigen Geistesarbeit" ergebe sich
ja bei einem Ueberblick über ihre Entwickelung „handgreiflich". „Jeder
Schritt, auch der kleinste, den einer unseres Volkes auf der Bahn zur
Vertiefung und Entfaltung der geistigen und sittlichen Bildung unseres
Volkes und damit der Menschheit macht, ja jeder Schritt auf dieser Bahn,
der durch einen von Jhnen auch nnr ermöglicht und erleichtert und vor-
bereitet wird, ist schließlich doch ein Glied in der großen Lebenskette jener
gcistigen Herrlichkeit, die uns als ein ewiges Ziel vor Augen schwebt
und der wir alle, ein jeder an seiner Stclle, mit seinem Maß der Gaben
und des Könnens dienen und entgegenringen. Die staatliche Or-
ganisation oder gar die Regierung, das Beamtentum, als dessen
Vertreter Sie uns hier unter sich sehen, tritt dabei weit zurück
hinter die eigentlich schaffendcn Kräfte. Als Glieder un-
seres Volkes sind wir auf diesem Gebiete im wesentlichen nur Empfan-
gende, nicht Gebende." Freilich, der Schaffende brauche „offene Hände,
die dankbar seine Gaben hinnehmcn und sie verständnisinnig würdigen",
und so stelle sich eine Gemeinschaft auch mit „uns", den Regierungs-
leuten her. „Wir freuen uns dieser Gemeinschast mit Jhnen. Wenn
20?