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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarhfet 1898)
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Avenarius, Ferdinand: Banalitäten
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0251

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Wrmalitäten.

'Wlenn's in der Luft nebelt, sehen die allerbekanntesten Gemein-
plätzc aus, als wären sie anders. Es muß sehr nebeln in der Luft,
die über uns liegt, denn rvir erkennen jetzt manche der plattesten Wahr-
heiten nicht mehr wieder, über die wir doch schon als Kinder selber den
Weg gesunden habcn.

Oder ist es nicht eine Selbstverständlichkeit, die auszusprechen banal
ist, daß leere Titcl kcinen Menschen wirklich ehren können? Gut. Wenn
aber z. B. eine Kunstausstellung geschlossen wird, und der Gnadenregen
ist frisch gefallen, so sitzen die Herren beim Bankett und toasten sich mit
den neugewonnenen „Hcrr Hofrat" und »Herr Kommerzienrat" so un-
verfroren ins Gesicht, als merkten sie gar nicht, wie das spottet. Wenn
ein großer Gelehrter dem Exzellenztitcl abwinkt, so sehen sie sich ver-
wundert an: Wie kann der Mann das thun? Und wenn ein alter ver-
dienter Schriftsteller zum „Professor" ernannt wird, nun, da seine Lehr-
thätigkeit aufhört, so gratulieren sie ihm noch zu diesem ironischen Schicksal.
Dabei sind die also Ausgezeichneten und die Bewundcrer und Beneider
ihrer Auszeichnungen in ihrem Fach ganz gescheite Leute. Sie stecken
nur eben auch in jener unsichtbaren Bedientenlivree, die bei uns min-
destens ebenso geschätzt wird, wie der sichtbare „Rock des Königs" —
nur, daß man's nicht zugibt.

Wir haben im vorigen Heft von den schönen Wahrheiten gesprochen,
die der preußische Herr Kultusminister so tief erkennt, so feurig preist
und so eigenartig bethätigt, als ein getreuer Wardein unserer modernen
Kultur, die ja theoretisch z. B. denselben Titelkram scharf mißbilligt, dem
sie in der Praxis weidlich huldigt. Aber der Herr Minister gehört zu
den Beamten, zu der Regierung, deren unentbehrlichstes Walten sich ja
auf ganz andern Gebieten zum allgemeinen Nutzen auslebt, als, seinen
eigenen Worten zufolge, dort, wo freie geistige Arbeit, geistiges Nähr-
korn reift. Die Bedeutung, den Nutzen, welchen die Regierung auch für
dieses Ackergebiet immerhin aufweisen kann, hat der Minister so vor-

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