Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0283
DOI Heft:
Heft 9 (1. Februarheft 1898)
DOI Artikel:Avenarius, Ferdinand: Der Fall Trojan
DOI Seite / Zitierlink:https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0283
Nls wir uns entschlossen, die ersten Seiten unserer Blätter kunst-
politischen Betrachtungen einzuräumen, glaubten wir, wir weihten sie
ziemlich friedlichen Zwecken. Ach, haben wir uns getäuscht! Heute sind
wir im neuen Jahr schon zum dritten Male zu einer unfriedlichen Be-
trachtung gezwungen. Ja, gezwungen, denn Gott schütze unser
deutsches Bolk davor, daß eine Zeiterscheinung wie die Verurteilung
Johannes Trojans wortlos hingenommen würde. Reden die nicht, deren
Sache das noch mehr wäre, so müssen wir eben reden, denn auch
Kunst und Litcratur modern in der Stickluft der Feigheit.^
Es ist bei Gott eine merkwürdige Sache um unser Majestäts-
beleidigungsgesetz. Ein Monarch tritt hin und sagt seine Meinung
rückhaltlos und in krästigen Worten in die Oeffentlichkeit hinaus. Wir
freuen uns dessen, auch wo er gegen uns sprach, weil es männlich ist,
nun wollen wir ihm antworten frei und klar als Männer, denn nur
das, meinen wir, kann dem Manne in ihm etwas wert sein. Oho,
mcin Bester, ruft der Herr Staatsanwalt mit dem Paragraphen unterm
Arm, jetzt komme crst i ch. Du behauptest, du seiest gezwungen zur
Entgegnung durch berechtigte Jnteressen? Jn andern Beleidigungs-
prozessen erkeimt der Staat solchen Zwang willig an — bei Majestäts-
beleidigungen jedoch, und wäre dein Weib und wärest du selber be-
schimpft, gibt es vor dem Staat keine berechtigten Jnteressen. Dein
Fürst sagt etwas, das dir unrichtig und widersinnig erscheint, und
weil er es und weil er's öffentlich sagt, scheint dir das bedenklich
und du trittst dem entgegen: was, nun willst du beweisen, daß er sich
gcirrt hat? Bei Majestätsbeleidigung gibt es keinen Wahrheitsbewcis!
Und erschlüge dein Fürst deinen Sohn auf der Straße, und du nenntest
ihn Mörder, e r bliebe sakrosankte Majestät, und dich sperrten sie wegen
Majestätsbeleidigung ein — wenn's dem Gesetz nach ginge.
Man muß bis zu solch Absurdem gehen, um zu zeigen, was
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politischen Betrachtungen einzuräumen, glaubten wir, wir weihten sie
ziemlich friedlichen Zwecken. Ach, haben wir uns getäuscht! Heute sind
wir im neuen Jahr schon zum dritten Male zu einer unfriedlichen Be-
trachtung gezwungen. Ja, gezwungen, denn Gott schütze unser
deutsches Bolk davor, daß eine Zeiterscheinung wie die Verurteilung
Johannes Trojans wortlos hingenommen würde. Reden die nicht, deren
Sache das noch mehr wäre, so müssen wir eben reden, denn auch
Kunst und Litcratur modern in der Stickluft der Feigheit.^
Es ist bei Gott eine merkwürdige Sache um unser Majestäts-
beleidigungsgesetz. Ein Monarch tritt hin und sagt seine Meinung
rückhaltlos und in krästigen Worten in die Oeffentlichkeit hinaus. Wir
freuen uns dessen, auch wo er gegen uns sprach, weil es männlich ist,
nun wollen wir ihm antworten frei und klar als Männer, denn nur
das, meinen wir, kann dem Manne in ihm etwas wert sein. Oho,
mcin Bester, ruft der Herr Staatsanwalt mit dem Paragraphen unterm
Arm, jetzt komme crst i ch. Du behauptest, du seiest gezwungen zur
Entgegnung durch berechtigte Jnteressen? Jn andern Beleidigungs-
prozessen erkeimt der Staat solchen Zwang willig an — bei Majestäts-
beleidigungen jedoch, und wäre dein Weib und wärest du selber be-
schimpft, gibt es vor dem Staat keine berechtigten Jnteressen. Dein
Fürst sagt etwas, das dir unrichtig und widersinnig erscheint, und
weil er es und weil er's öffentlich sagt, scheint dir das bedenklich
und du trittst dem entgegen: was, nun willst du beweisen, daß er sich
gcirrt hat? Bei Majestätsbeleidigung gibt es keinen Wahrheitsbewcis!
Und erschlüge dein Fürst deinen Sohn auf der Straße, und du nenntest
ihn Mörder, e r bliebe sakrosankte Majestät, und dich sperrten sie wegen
Majestätsbeleidigung ein — wenn's dem Gesetz nach ginge.
Man muß bis zu solch Absurdem gehen, um zu zeigen, was
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