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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 11,1.1897-1898

DOI issue:
Heft 12 (2. Märzheft 1898)
DOI article:
Schumann, Paul: Vom deutschen Bauernhause, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7955#0396

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dercn Küchc gibt. Trotz der verschiedcnen Grundrißformen ist dcr Aufbciu
immer der gleiche, sei es nun, daß das Haus auf eincm hohen Steinuntcrbau
oder unmittelbar auf dem Boden steht. Die Wände sind ursprünglich Ständer-
blockwände, später oft Fachwerk. Der äußere Anblick des HauseS wird haupt-
sächlich durch das hohe, weit vorkragende, vielfnch gegliederte Dach bestimmt,
das vor allem ihm seinen malerischen Reiz verleiht. Die Wirtschaftsräume,
Heuboden, Gssindewohnung u. s. w. liegen unter dem Dache. Wenn dieser
malerische Rciz noch durch zahlreiche Einzelheiten vermehrt wird, so ist dabei
besonders bemerkenswert, daß alle diese Verzierungen durchaus stilgerecht,
d. h. aus dcm jcdesmaligcn Zwecke entwickelt und dem Baumaterial ange-
paßt sind, wodurch sic sich vorteilhaft von dem zwccklos angcbrachten Orna-
mentenkram auszcichncn, den die „Schöpfungcn" akademisch vcrbildeter mo-
derner Architekten so vielfach aufweisen. Koßmann erläutcrt alle dicse sorg-
fältig dargestellten Einzelheiten eingehend und gibt schließlich cine anschau-
liche Schilderung von der anheimelnden Gemütlichkeit, die im Jnnern dcr
Schwarzwaldhäuser herrscht.

Noch sei erwähnt, daß erfreulicherweise jeizt auch die Jnventarisations-
werke anfangen, sich des deutschen Bauernhauses anzunehmen, so liegt uns vor:
„Beschrcibende Darstellung der älteren Bau- und Kunstdenkmäler des Fürsten-
tums Schaumburg-Lippc" von vi-. pb.il. Gustav Sch ön ermark (Berlin, Ernst
und Sohn, 12 Mk.j. Der Verfasser widmet dcn Bauernhäusern ein üesonderes,
wcnn auch nicht umfangreiches Kapitel. Auch Cornelius Gurlitt will fernerhin
das Bauernhaus bei der Jnventarisation Sachscns berücksichtigcn.

Die wissenschaftliche Seite der inRede stchendenFragcist javcrhültnismäßig
leicht zu bewältigen — denn hier handelt es sich schließlich doch nur darum,
die geeigneten wissenschaftlichsn Krüfte zu den vorbereitenden Teilarbeiten heran-
zuziehcn, wie sich auch für die abschließendcn systematischen Arbeiten schließlich
gecignetc Kräfte sinden werden. Dagegen ist die praktische Frage mit weit
größeren Schwierigkeiten verknüpft. Dcnn hier sind die Kräfte, die cincn Wandcl
herbeiführen könnten, unvergleichlich schwerer, zum Tcil vielleicht gar nicht in
Bewegung zu seßen. Die Sachlage ist folgcnde: wo die alten malerischen und
volkstümlichen Vauernhäuser verschwinden, da verschwinden sic meist auf
Nimmerwiedersehen; an ihrer Stelle entstchen charakterlose hüßliche Häuser, die
keine Spur von Zusammenhang mit der alten volkstümlichen Bauwcise zeigen,
die nicht nach Lnndschaft und Stamm ihre wohlansgeprägten llnterschiede auf-
wcisen, sondern überall in der Gleichmäßigkeit und Schablonenhaftigkeit den
Mangel jeglicher Phantasie und Gcmütsinnigkeit offenbaren, welche endlich ohne
jedc Empfindung für die ästhetischcn Erfordernisse dcr landschaftlichen Umgebung
sich frech hineinsetzen zwischen die malerischen Bauernhänser, die, ein Erbe zudcm
aus der Urvätcr Tagcn, die Augcn jcdes Kunstfreundes erfreucn. Jnsbesondere
verschwinden dic alten volkstümlichcn Schmuckweisen, und meist tritt cin cha-
rakterloser Steinbau an Stelle des alten malerischcn Holzbaus. Jn eincm früheren
Jahrgange habcn wir einen verdienstvollen Aufsatz des Dresdencr Negierungsbau-
meisters O. Gruner veroffentlicht, der mit Nachdruck auf drei Ursachen dcr ge-
schilderten Uebelstände hinweist: auf die unverstündigen landlichen Bauordnungen
auf die Vorschriftender Brandversicherung und auf denverfehltcn akadcmischen Uu-
terricht an dcn Baugewerkenschulen, wo den Schülern dic antiken Süulenordnungen
und ähnliche überschwängliche und überflüssige Dinge cingedrillt werden, anstatt
daß sie lernen, die alte heimische Bauwcise moderncn Ansprüchen gemäß weiter
zu entwickeln und anzuwcnden. Gruner hat sich auch neuerdings wiedcr in

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