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und Rococostiles traten weiße Marmorhallen, in denen kaum das
Gold als gelegentlicher Schmuck gestattet wurde. Thorwaldsen
welchen wir als die leitende Kraft der plastischen Kunst jener
Richtung zu betrachten haben, führte die Ausstattung der Frauen-
kirche in Kopenhagen derart aus, daß in einen großen kreide-
weißen Raum mit glatten Pfeilern nichts gestellt wurde, als zwölf
große weiße Marmorfiguren der Apostel und das Kolossalstand-
bild Christi.
Im Kunstgewerbe mußte das reich bemalte und vergoldete
Porzellan der weißen Biskuitmasse weichen; an Stelle der Seiden-
und Brokattapeten traten weiße oder lichtgelb getünchte Wände;
von den Möbeln wurde jedes Metall verbannt, die gleichmäßig
braune Mahagoni- oder gelbe Birkenholzsarbe herrschte durch-
gehends, in den Kleiderstoffen war grau, hellblau und Hellrosa
vorwiegend. Die großen Maler der Periode malten nicht, son-
dern zeichneten Kartons. Man hielt allgemein und ausgesprochener-
weise die Farbe für ein beunruhigendes Element, welches die
reine Schönheit der plastischen Form und der Zeichnung trübe.
Diese ganze Anschauung beruhte wesentlich mit auf der
damals noch nicht angetasteten Ueberzeugung, daß die griechischen
Vorbilder, Tempel und Statuen, sich immer in jener Farblosig-
keit befunden hätten, in welcher sie jetzt vor uns stehen. Es ist
das Verdienst der exakten Forschung, das Unrichtige dieser An-
nahme nachgewiesen zu haben. Wir wissen jetzt vielmehr, daß
bei der griechischen Architektur die Anwendung der Farbe eine
so allgemeine gewesen ist, daß wir uns die Gebäude in hellster
Farbenpracht strahlend zu denken haben. Wie weit die Bemalung
sich auch auf plastische Werke erstreckt habe, ist noch nicht hin-
reichend festgestellt; so viel ist aber sicher, daß die Farblosigkeit
keineswegs bindendes Gesetz war. Wir brauchen uns nur daran
zu erinnern, daß die am höchsten verehrten Kultnsbilder der
griechischen Götter: der olympische Zeus, die Pallas Athene auf
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