Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
IV.

DER NIEDERLÄNDISCHE KUPFERSTICH

Die Anfänge der Stechkunst in den Niederlanden verbergen
sich für uns in den Produktionen der anonymen Künstler
des XV. Jahrh. Ob in den Niederlanden der Kupferstich in
dieser Periode in erheblichem Umfang geübt worden ist, wissen
wir nicht. Der rätselhafte Meister von Zwolle (s. oben S. 34) ist,
wenn er überhaupt in Zwolle thätig war, vielleicht eine ver-
einzelte Erscheinung. Aus dem Dunkel, in das die Geschichte
des niederländischen Kupferstiches bis nach 1500 gehüllt ist,
tritt, wie unvermittelt, Lucas Jacobsz van Leyden hervor
(geb. 1494? thätig in Leyden und zeitweise in Antwerpen,
gest. 1533), der in den Niederlanden eine Stellung einnimmt,
vergleichbar der Dürers in Deutschland. Vielseitig, beweglich,
leicht und schnell schaffend, entbehrt er der geistigen Tiefe
seines Nürnberger Zeitgenossen. Aber er ist eines der wichtig-
sten Glieder in der Entwickelung der niederländischen Kunst,
denn er leitet die Auffassungsweise und die Stoffgebiete der
Kunst seines Landes in die Richtung, in der sich die hol-
ländische Malerei des XVII. Jahrh. entfaltet. Die holländischen
Typen des^ profanen und des biblischen Genres lassen sich auf
Lucas van Leyden als auf ihren Urheber zurückverfolgen.
Wenn sein Geburtsjahr richtig überliefert ist, war er schon
mit 14 Jahren ein fertiger Künstler, denn von 1508 datiert der
technisch vollendet durchgeführte Stich: Mohamed tötet den
Mönch Sergius. Ein anderes offenbar sehr frühes Blatt, die Auf-
erweckung des Lazarus, scheint noch ganz im Geiste Ouwaters,
des Vaters der holländischen Malerei, konzipiert. Leydens etwa
180 Blätter zählendes Werk zeigt mehrere einschneidende Wand-
lungen seiner Stilweise. Die namentlich anfänglich sehr ge-
ringe Kenntnis des anatomischen Baues und der Bewegung der
Gestalten wird aufgewogen durch lebendige Auffassung und
scharfen Ausdruck der Wahrheit. Er betont nur das Charak-
teristische der Erscheinung, für das Gefällige fehlt ihm der Sinn.
Auf der Kupferplatte bewegt sich Lucas van Leyden schon in
seinen Anfängen mit gröfster Leichtigkeit und Unbefangenheit.
 
Annotationen