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Georg Wille.

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ringerem Erfolg; er übt durch das Aufrechthalten der Tra-
ditionen der Drevet bedeutenden Einflufs auf die Künstler seiner
Umgebung, wie z. B. auf Daulle.
Auch Claude Drevet hatte in seinen Anfängen nach Lebrun
gestochen, und war an der Ausführung des grofsen Pracht-
werkes beteiligt, das die Salbung Ludwig XV. in Rheims (Sacre
de Louis XV, 1723 erschienen) darstellt. Die so seltene Ver-
bindung virtuoser Technik und feiner künstlerischer Empfin-
dung, welche die Werke der älteren Drevet auszeichnet, findet
sich bei keinem ihrer Nachfolger. Die äufsere Faktur erlangt das
Übergewicht und wird zu metallischer Härte. In diesen Mangel
verfallen die sonst tüchtigen Stecher Jean Daulle (1703—1763)
und Jean-Joseph Balechou (1719—1764).
Der einflufsreichste Hauptmeister in der späteren Periode des
XVIII. Jahrh. ist im Gebiete der reinen Grabstichelarbeit Georg
Wille (geb. in der Nähe von Giefsen 1715, gest. Paris 1807). Sein
grofses Talent für die technische Faktur der Stecherei blendet seine
Zeitgenossen und verdeckt in merkwürdiger Weise seinen Mangel
an echter Kunstbildung und wahrer künstlerischer Empfindung.
In jungen Jahren als Autodidakt nach Paris gelangt, verbleibt Wille
daselbst während seines ganzen Lebens. Mit penibler Reinheit
bildet er seine Strichlagen, mit skrupulöser Sorgfalt pafst er sie
dem Wesen der dargestellten Objekte an; seine Zeichnung wird
dabei trocken und leblos, aber die äufserliche Tadellosigkeit
seiner Arbeit hat ihn in seiner Stellung als gepriesener Meister
und Lehrer fafst bis an sein Lebensende erhalten. Seinen zahl-
reichen Nachfolgern gab Wille das Beispiel, die Regelmäfsigkeit
der Strichbildung, also die mechanische Leistung der Stecherei
vor Allem anzustreben, und in nicht geringem Grade war er
es, der den Niedergang der Stechkunst herbeiführen geholfen
hat. Wille reproduziert häufig Gemälde von Netscher, Mieris,
G. Dow u. a. Eines seiner berühmtesten Blätter ist die Väter-
liche Ermahnung nach Terborch, worin besonders der natur-
getreue Glanz des Seidenkleides der im Vordergründe stehenden
Dame bewundert wurde. Oft hat Wille nach Malereien des
von ihm sehr hoch gehaltenen C. W. E. Dietrich gestochen.
Wirkungsvolle Blätter sind u. A. die Bildnisse Friedrich des
Grofsen nach Pesne, Saint-Florentins nach Tocque.
Im Gegensatz zu Audran und den Watteau-Stechern vertritt
Wille eine strengere Anschauungsweise, die allein den Grab-
stichel als das berechtigte Werkzeug des Stechers anerkennt.
Seine Nachfolger wirken in demselben Sinne, als die Vertreter
einer sich als klassisch geltend machenden Richtung. Durch
Schüler und Enkelschüler hat sich Willes Einflufs bis in unsere
Tage erstreckt.
Der jüngere Zeitgenosse Jean Massard (1740-—1822),
steht unter Willes Einflufs, bewahrt sich jedoch gröfsere Weich-
 
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