Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0040
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
5.8.14.16) ihre Erzeugnisse in größeren Mengen in Lorch abzu-
setzen. In die Mitte des 3. Jahrhunderts gehören schließlich die
Waren der späten Rheinzaberner Töpfer (Abb. S. 36, 6.7; S. 34,
1-3).

Lorch fügt sich damit problemlos in den Zeitraum ein, den man
gemeinhin für diesen Limesabschnitt herausgearbeitet hat: Mit-
te 2. bis Mitte 3. Jahrhundert n. Chr.147 Eine Datierung in die
erste Hälfte des 2. Jahrhunderts, in traianische Zeit148, hat sich
nicht bestätigt.

Lorch zwischen Antike und Mittelalter

Lauriacum — Lorch ist einer der Orte in Baden-Württemberg,
die nicht nur ihren antiken Ortsnamen bewahrt haben, sondern
an dem auch die nachfolgende Besiedlung die Stelle des rö-
mischen Kastells einnahm - im Gegensatz zu Aalen, Böbingen
a.d.R. oder Schwäbisch Gmünd-Schirenhof. Die spätere Über-
bauung des Kastellareals mit einer Kirche ist ein Umstand, der
schon lange die Aufmerksamkeit auf diesen Ort gezogen hat.149
Inwieweit sich die Überreste der römischen Bauten selbst noch
für eine frühe Gottesdienststätte130 eigneten, oder eine nicht
weiter verwertbare Ruinenstätte das notwendige Material für
Neubauten hergab1'1 bzw. mit der Wahl einer ehemals rö-
mischen Siedlungsstelle bewußt an alte Traditionen angeknüpft
werden sollte, kann nach Lage der Dinge nur noch durch Gra-
bungen geklärt werden. In Lorch wie andernorts auch zeigen
die ersten urkundlichen Nachweise, daß der Ort damals im Be-
sitz der Landesherren war.152 Obgleich nicht im strikten Sinn
beweisbar, aber durch die Zunahme solcher Befunde wie Kir-
chenbauten über römischen Ruinen immer wahrscheinlicher
geworden, rechnet die Forschung in derartigen Fällen mit einer
möglichen Rechtsnachfolge der alamannischen bzw. frän-
kischen Herrschaft, die sich auf bestimmte Ländereien (Fiskal-
gut) des Imperium Romanum erstreckte.153 Die Einzelheiten zu
diesen Vorgängen sind in Ermangelung entsprechender Unter-
suchungen bislang kaum nachzuvollziehen. Auch in Lorch be-
steht für die Zeit nach dem Abzug der römischen Garnison (um
260/268 n. Chr.) bis zum Einsetzen der ersten mittelalterlichen
Urkunden (1102 n. Chr.) noch eine unüberbrückte Kluft. Die
Grabungen unter dem Oria-Platz sind noch nicht abschließend

38

ausgewertet, aber eine flüchtige Durchsicht des Fundmaterials
hat auf den ersten Blick jedenfalls nicht die erhofften Zeugnisse
für einen spätantik/frühmittelalterlichen Siedlungsniederschlag
ergeben. Einzig die etwas unsichere Fundnotiz einer Münze des
4. Jahrhunderts vermittelt erste Hinweise auf die Fortdauer der
Besiedlung.154

Die historische Fragestellung, d. h. der Lorch betreffende Zeit-
rahmen für die römisch/frühmittelalterliche Siedlung ist abge-
steckt. Bleibt zu hoffen, daß zukünftige Bauarbeiten im Stadt-
kern mehr denn bisher als die letzte Möglichkeit begriffen und
genutzt werden, um die noch fehlenden Urkunden zur Stadtge-
schichte nicht gedankenlos zu zerstören, sondern für dringend
notwendige Einblicke zu gewinnen.155

147 Schönberger a. a. O. (Anm. 21), S. 484.

148 Haug/Sixt a. a. O. (Anm. 4), S. 105; Fabricius a. a. O. (Anm. 25), S.
609.

149 O. Paret: Die Siedlungen des römischen Württemberg. In: Die Römer
in Württemberg. Bd. 3. Stuttgart 1932, S. 231 ff.

150 Vgl. H. U. Nuber: Ausgrabungen in Bad Gögging. Römisches Staats-
heilbad und frühmittelalterliche Kirchen. Landshut 1980, S. 19 ff.

151 Vgl. Paret a. a. O. (Anm. 149), S. 233, der sich gegen eine solche Inter-
pretation aussprach. Siehe auch den Befund von Brenz: B. Cichy: Die
Kirche von Brenz. Heidenheim 21975, S. 24 ff., wo die Erstellung ei-
ner ersten Holzkirche die Räumung des römischen Ruinenplatzes
voraussetzte.

152 Urkunde vom 3. Mai 1102 n. Chr., wonach Friedrich, Herzog von
Schwaben und Franken, seine Gemahlin Agnes und seine Söhne
Friedrich und Konrad die Abtei Lorch dem Heiligen Stuhl überge-
ben: WUB a. a. O. (Anm. 29), S. 334 Nr. 264.

153 P. Goeßler: An der Schwelle vom germanischen Altertum zum Mittel-
alter. In: Württembergische Vierteljahreshefte für Landesgeschichte
N.F. 30/1921, S. 1 ff.; G. Wolff: Über den Zusammenhang spätrö-
mischer und frühmittelalterlicher Kultur in Westdeutschland. In:
Germania 8/1924, S. 1 ff.; H. Dachs: Römerkastelle und frühmittel-
alterliches Herzogs- und Königsgut an der Donau. In: K. Bosl
(Hrsg.): Zur Geschichte der Bayern. Darmstadt 1965, S. 44 ff.

154 O. Paret in: Fundberichte aus Schwaben N.F. 12/2, 1938 - 1951
(1952), S. 95 Nr. 307,7

155 Den Mitarbeiterinnen an der Abteilung für Provinzialrömische
Archäologie der Universität Freiburg i. Br. Dr. R. Ludwig sowie G.
Bury und I. Thomandl bin ich für ihre technische Hilfe bei Textver-
arbeitung und Zeichnungen sehr zu Dank verpflichtet.

Ebenso den Herrn Dr. Ph. Filtzinger (Landesmuseum Stuttgart) und
Prof. Dr. D. Planck (Archäologische Denkmalpflege Stuttgart) für
vielfältige Unterstützung.
 
Annotationen