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Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0054
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Mit aller nötigen Vorsicht erscheinen mir die Angaben der Lor-
cher Gründungserzählung - mit etlichen Abstrichen - eher als
glaubwürdig. Vielleicht wird man einfach annehmen dürfen,
daß der Lorcher Gründungsabt Harbert von Komburg aus die
Abteien in Metz und Maria Laach aufgesucht hat und daß dies
von der Lorcher Erzählung, um den Gründerabt aufzuwerten,
zu einer Funktion als Abt umgedeutet wurde. Auf jeden Fall
scheint mir Weißenbergers Entfernung Harberts aus der Lor-
cher Abtsliste vorschnell.11

Zusammenfassend ist festzuhalten: Eine kritische Sichtung je-
ner Lorcher Gründungsüberlieferungen, die monastische Be-
ziehungen enthalten, muß den fragmentarischen Zustand des
zentralen Textes »Uber die Gründung des Klosters Lorch« in
Rechnung stellen. Weitere Überlegungen zu seiner Datierung
und Glaubwürdigkeit wären dringend erforderlich - vielleicht
läßt sich die Textgrundlage durch weitere Exzerptfunde noch er-
weitern. Mit Vorbehalt erscheinen die Traditionsbildungen über
Harbert im Hinblick auf die Komburger Bezüge zu rheinischen
Reformklöstern um 1100 durchaus vertrauenswürdig, sofern
man gewisse Entstellungen zugesteht. Eine vergleichende Stu-
die zur klösterlichen Traditionsbildung des Hoch- und Spät-
mittelalters sollte auch »einfachere« Traditionsbildungen vom
Lorcher Typ berücksichtigen. Es dürfte jedoch klargeworden
sein, daß die Quellenlage der Ermittlung von Übereinstimmun-
gen zwischen geschichtlichen Situationen und historischen
Überlieferungen enge Grenzen setzt. Weder die vorschnelle An-
nahme eines - womöglich über Jahrhunderte mündlich weiter-
gegeben - »wahren Kerns« noch die vorschnelle Verwerfung
historischer Überlieferungen sind die methodischen Wege, auf
denen die Traditionsforschung weiterschreiten muß. Letzte Si-
cherheiten sind von ihr nicht zu erwarten, wohl aber gewisse
Anhaltspunkte über Formen und Eigenart klösterlichen Ge-
schichtsbewußtseins, die es mitunter gestatten, etwas mehr
Licht auf die wirklichen Anfänge der Klöster zu werfen - oder
die zumindest erklären können, weshalb das Dunkel nicht auf-
zuhellen ist.

Die Gründungsausstattung

Nach Gründungszeit, Gründerfamilie und Gründungsabt ist

nun noch nach der Gründungsausstattung des Klosters zu fra-
gen. Frühe Quellen für die Besitzgeschichte fehlen weitgehend.
Mancher später nachweisbare Fernbesitz - etwa im Ries - mag,
wie Heinz Bühler meint, auf die Staufer zurückgehen. Die un-
genügende Quellenlage sollte jedoch davor warnen, allzu be-
stimmte Behauptungen über die Herkunft erst im 14. oder 15.
Jahrhundert faßbaren Klosterbesitzes, insbesondere des Streu-
besitzes, aus staufischem Hausgut oder gar Reichsgut aufzu-
stellen. Dies ist leider wiederholt der Fall in dem Werk »Das
Land Baden-Württemberg«, obwohl ein amtliches Werk dieser
Art sich an Fakten halten sollte. Gelangte Münster »wohl« als
staufisches Stiftungsgut an das Kloster (LBW III, S. 49), so wird
dies bei Dahenfeld als Tatsache berichtet (ebd. IV, S. 116) und
bei Pflaumloch (»sicher von den Staufern her«, ebd., S.695)
schwinden vollends alle Zweifel. Bei Bolheim erfährt man defi-
nitiv, daß Herzog Friedrich I. »es um 1102 an seine Gründung
Kl. Lorch gab«(ebd., S.614). Man tut gut daran, einen Blick auf
die Untersuchungen von Rainer Jooß über die Wohltäter des
Klosters Komburg anhand des erhalten gebliebenen Kombur-
ger Schenkungsbuchs zu werfen (198/J S.29-40). Außer der
Stifterfamilie und ihren Verwandten sind für Komburg weitere
Schenkerkreise bezeugt, und wer den gesamten Besitz Kom-
burgs auf die Stifterfamilie zurückführen wollte, würde in die
Irre gehen.

Zahlreiche Adelsfamilien (außer den Staufern) dürften in der
Stauferzeit Lorch mit Schenkungen bedacht haben. Das auf die
Zeit um 1200 zurückgehende Verzeichnis der Mitglieder der al-
ten Landkapitelsbruderschaft (siehe unten), an der auch das
Kloster Lorch mit Äbten und Mönchen beteiligt war, weist
zahlreiche Namen vornehmer Gönner auf - weshalb sollte das
Kloster Lorch nicht in weitaus stärkerem Umfang gefördert
worden sein? Einen gewissen Hinweis gibt die Liste von »Edel-
leuten«, die bei der Anlage des Lorcher Kaiendars im Roten
Buch 1499 in den »alten totten bücher« des Klosters gefunden

11 Markiert Heuermanns eher unkritische Übernahme der Lorcher
Überlieferungen den einen Pol, so Weißenbergers Skepsis den anderen.
An der Komburger Herkunft Harberts zweifelte Jakobs 1961, S. 71 f.
nicht. Über die lothringische Reformströmung, die Mistele 1987, S. 16
f. (nach Hassinger) von den Hirsauern abgrenzt, ist das letzte Wort
noch nicht gesprochen.

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