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Wanner, Peter [Red.]
Heimatbuch der Stadt Lorch: Lorch: Beiträge zur Geschichte von Stadt und Kloster — Lorch, 1990

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https://doi.org/10.11588/diglit.7424#0088
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Seite (U 279). Winkelhofer ließ vortragen, der Hirschmüller sei
Lorcher Hintersasse auf der Hirschmühle und sitze zum Drit-
teil. Hirschmüller behaupte jedoch beim Wein und sonst wahr-
heitswidrig: die Hirschmühle sei ein Erblehen, das an seine
Kinder übergehe, und das Wasser Rems sei sein Eigen. Er habe
überdies einen in die Mühle gehörigen Acker verkauft. Das
Kloster sei in der Entscheidung frei, die Mühle an eine beliebige
Person zu verleihen. Der Beklagte hielt dagegen, die Hirsch-
mühle sei sein Erblehen, das von Urahn, Ahn und Vater an ihn
gelangt sei; das Recht an der Rems sei von Verwandten an ihn
gelangt und den Acker habe er selbst gekauft - zur Mühle ge-
höre nicht mehr als drei Jauchert Acker. Zum Verhältnis zwi-
schen dem Hirschmüller und seinem Lehensherrn erfährt man
außerdem, daß der Abt den Hirschmüller, nachdem die Mühle
abgebrannt sei, zu sich habe rufen lassen um ihn vor die Alterna-
tive zu stellen, entweder innerhalb eines Jahres ein Haus auf die
Hofstatt zu bauen oder aber 10 Gulden zu geben. Wegen des
Fischwassers legte Lorch durch seinen »sindicus«, den Groß-
keller, Appellation bei dem kaiserlichen Kammergericht ein
(U 280). Während Hirschmüller durch vier Zeugen beweisen
konnte, daß der strittige Acker nicht zur Mühle gehörte, ent-
schied die Gmünder Obrigkeit nach Anhörung von Salbüchern
und einer Urkunde von 1284, daß die Mühle ein Lorcher Eigen-
gut sei und ihr Besitzer zum Dritteil sitze. 1284 erhielt ein gewis-
ser Hirsmann vom Kloster auf Lebenszeit die Mühle verliehen.
Nach seinem Tod sollte ein Drittel seines Gutes an das Kloster
gehen - dies erklärt die Wendung »zum Dritteil sitzen«. Außer-
dem hatte der Abt der Ehe Hirsmanns zuzustimmen. Beide
Bestimmungen weisen noch deutlich die Anzeichen ursprüng-
licher Unfreiheit auf.

Der Sohn des Müllers, Hans Hirschmüller, setzte den Kampf
seines Vaters gegen das Kloster fort. 1478 war das Stuttgarter
Stadtgericht mit dem Fall befaßt (U 281). Hirschmüller betonte,
sein Vater Sifrid habe die Hirschmühle 80 Jahre gegen eine jähr-
liche Abgabe von 5 Pfund Hellern als Erbgut innegehabt. Lorch
habe das Gut bei dem Tod seines Vaters als Fallgut angesprochen
und 80 Gulden gefordert. Hans Hirschmüller habe sich ge-
zwungen gesehen, die Mühle zu räumen, da Lorch sie auf seine
Weigerung hin einem anderen Müller verliehen habe. Er brachte
vier »Kundschaften« benachbarter Gerichte bei, die er um
Rechtsauskünfte über das Erbrecht gebeten hatte. Die von den

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Gerichten ausgestellten Urkunden sind in der Urkunde des
Stuttgarter Stadtgerichts wiedergegeben. Die Aussteller der Ur-
kunden waren: Schultheiß und Richter zu Gmünd, Schultheiß
und Richter zu Aalen, Vogt und Richter zu Ruppertshofen,
Schultheiß und Richter des Gerichts Heinrichs von Rechberg in
Bargau.58 Lorch lehnte den Beweiswert der beigebrachten
Kundschaften mit dem Argument ab, sie bezögen sich auf Erb-
güter, die meisten Güter Lorchs seien jedoch Fallehen. Die
Stuttgarter Richter erklärten die Klage Hirschmüllers gegen
Lorch für unbegründet.

Nach Ausweis der Urkunde von 1284 mochte Lorch formal im
Recht sein, wenn es die Hirschmühlc als Fallehen beanspruchte.
Der Versuch, einen vom Hirschmüller selbst erworbenen Acker
in das Lehen zu ziehen, war jedenfalls ungerechtfertigt. Auch
mußte die Forderung nach einem hohen »Handlohn« von
80 Gulden bei der Übernahme der Mühle durch den Erben an-
gesichts der faktischen Verbesserung der Rechtsstellung der
Bauern im 14. und frühen 15. Jahrhundert als unbillig empfun-
den werden. Das Kloster vertrieb sogar den Erben vom Hof, als
er sich weigerte, das Geld zu entrichten. Diese konsequent
betriebene »Herrschaftsintensivierung« auf Kosten der bäuer-
lichen Rechtsstellung mag mindestens zum Teil die Erbitterung
erklären, die in der Verwüstung des Klosters 1525 ihren Aus-
druck fand.

58 Die Urkunden zählen zu den wenigen Zeugnissen über Gerichtsver-
fassung und Rechtspraxis der Dorfgeschichte im Gmünder Raum im
Spätmittelalter. Zu erwähnen ist ein Urteilsbrief des Gerichts zu See-
lach von 1483 (U 885, zum Seelacher, Ruppertshofener und Lindacher
Gericht vgl. Diehl 1943) und eine Urkunde des Gerichts zu Steinen-
berg (U 884). Im 17 Jh. heißt es, im Gebiet des Klosters gebe es drei Ge-
richte (Albert Dangel in: Gmünder Heimatblätter 22/1961, S. 64).
Notwendig wäre auch eine Zusammenstellung der Zeugnisse über
Rechtszug: 1495 bezeichnen Schultheiß und Gericht von Alfdorf das
Gmünder Stadtgericht als ihr Obergericht (UAG 2218).
 
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