Einführung
Die Reformation brachte für Lorch, für das Kloster wie für das
Dorf, bedeutsame und nachhaltige Veränderungen.1 Dies ist vor
allem darin begründet, daß die Reformation nicht etwa nur eine
geistige oder kirchliche Bewegung war, die ausschließlich Glau-
ben und Frömmigkeit der Menschen beeinflußte. Vielmehr
hatte das Verlangen nach einer Reform der Kirche auch große
Auswirkungen auf das politische Leben, vor allem weil Be-
jahung oder Ablehnung der Reformation nicht der Entschei-
dung des einzelnen überlassen blieb, sondern schon früh Sache
der Landesherren und Magistrate wurde.
Es ist bekannt, daß die Thesen Martin Luthers vom 31. Oktober
1517, in denen er sich gegen den Ablaß aussprach und diese Kri-
tik zum Ansatzpunkt einer umfassenden Reform der Kirche
machte, einen gewaltigen Eindruck auf die Gemüter der Men-
schen hatten. Der Inhalt der Thesen hatte sich binnen kurzer
Zeit in ganz Deutschland verbreitet, so daß die Versuche der
Amtskirche, Luthers Verlautbarungen zu unterdrücken, eigent-
lich nur noch die Wirkung der Thesen verstärken mußten. In
den folgenden Jahren hatte Luther Gelegenheit, sein reforma-
torisches Programm weiter zu entwickeln, vor allem in den
großen, 1520 erschienenen Schriften, die eine weite Verbreitung
fanden und deren Inhalt denen, die nicht lesen konnten, sicher
auch mündlich weitergegeben wurde.
Die durchschlagende Wirkung des Auftretens Luthers ist vor
allem darauf zurückzuführen, daß seine Gedanken und Vor-
schläge - zumindest anfänglich - mit anderen Zeitströmungen
in eins gingen. Eine Reform der Kirche war schon lange gefor-
dert worden, auch eine politische Reform des Reiches. Die
Vertreter des Humanismus erstrebten eine Wissenschafts- und
Bildungsreform. Schließlich gab es auch noch eine soziale
Reformbewegung, die sich unter anderem in städtischen und
ländlichen Aufstandsbewegungen äußerte, wie den verschiede-
nen Bundschuh-Verschwörungen am Oberrhein vor und nach
1500 und zuletzt im Aufstand des »Armen Konrad« im Remstal
1514, an dem sich auch die Untertanen des Klosters Lorch betei-
ligt hatten. Es ging hierbei um eine politische und soziale
Besserstellung des »gemeinen Mannes«, der großen Masse der
Untertanen in Stadt und Land. Bemerkenswert ist, daß diese Be-
wegungen nicht etwa Neues schaffen wollten, sondern darauf
drangen, daß alte Rechtsverhältnisse wiederhergestellt werden
sollten. Es ging um das »alte Recht«, das gegenüber den Neue-
rungen, die als politische und soziale Verschlechterungen emp-
funden wurden, wieder zur Geltung gebracht werden sollte.
Die Forderung nach dem »alten Recht« muß für die Zeitgenos-
sen eine auffallende Übereinstimmung mit Luthers Schrift-
prinzip gehabt haben, mit seinem Grundsatz, daß Glaube und
Kirche am Maßstab der Bibel zu messen und die im Laufe der
Geschichte aufgekommenen Neuerungen deswegen zu über-
prüfen seien. Hinzu kommt, daß das »alte Recht« alsbald als
»göttliches«, d. h. von Gott gesetztes Recht gesehen wurde.
Dies ist eine Vorform dessen, was man später als Naturrecht und
als Menschenrechte bezeichnete. Hier liegt auch der Grund da-
für, weshalb man nun die Leibeigenschaft, eine jahrhunderte-
lang unbestrittene Einrichtung, als Unrecht empfand. Dies ist
sicher auch als Auswirkung von Luthers Schlagwort von der
»Freiheit eines Christenmenschen« zu sehen, die keineswegs
nur als individuelle Freiheit verstanden wurde, sondern ebenso
als Freiheit der Gemeinde, sich einen eigenen Pfarrer zu wählen,
wie es ursprünglich von Luther vorgeschlagen worden war.
Für die Grundlagen vgl. Martin Brecht/Hermann Ehmen Südwest-
deutsche Reformationsgeschichte. Stuttgart 1984. Zum Kloster Lorch
vgl. Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. Franz
Quarthai. Augsburg 1975 (= Germania Benedictina, Bd. 5) S. 370 -
381.
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Die Reformation brachte für Lorch, für das Kloster wie für das
Dorf, bedeutsame und nachhaltige Veränderungen.1 Dies ist vor
allem darin begründet, daß die Reformation nicht etwa nur eine
geistige oder kirchliche Bewegung war, die ausschließlich Glau-
ben und Frömmigkeit der Menschen beeinflußte. Vielmehr
hatte das Verlangen nach einer Reform der Kirche auch große
Auswirkungen auf das politische Leben, vor allem weil Be-
jahung oder Ablehnung der Reformation nicht der Entschei-
dung des einzelnen überlassen blieb, sondern schon früh Sache
der Landesherren und Magistrate wurde.
Es ist bekannt, daß die Thesen Martin Luthers vom 31. Oktober
1517, in denen er sich gegen den Ablaß aussprach und diese Kri-
tik zum Ansatzpunkt einer umfassenden Reform der Kirche
machte, einen gewaltigen Eindruck auf die Gemüter der Men-
schen hatten. Der Inhalt der Thesen hatte sich binnen kurzer
Zeit in ganz Deutschland verbreitet, so daß die Versuche der
Amtskirche, Luthers Verlautbarungen zu unterdrücken, eigent-
lich nur noch die Wirkung der Thesen verstärken mußten. In
den folgenden Jahren hatte Luther Gelegenheit, sein reforma-
torisches Programm weiter zu entwickeln, vor allem in den
großen, 1520 erschienenen Schriften, die eine weite Verbreitung
fanden und deren Inhalt denen, die nicht lesen konnten, sicher
auch mündlich weitergegeben wurde.
Die durchschlagende Wirkung des Auftretens Luthers ist vor
allem darauf zurückzuführen, daß seine Gedanken und Vor-
schläge - zumindest anfänglich - mit anderen Zeitströmungen
in eins gingen. Eine Reform der Kirche war schon lange gefor-
dert worden, auch eine politische Reform des Reiches. Die
Vertreter des Humanismus erstrebten eine Wissenschafts- und
Bildungsreform. Schließlich gab es auch noch eine soziale
Reformbewegung, die sich unter anderem in städtischen und
ländlichen Aufstandsbewegungen äußerte, wie den verschiede-
nen Bundschuh-Verschwörungen am Oberrhein vor und nach
1500 und zuletzt im Aufstand des »Armen Konrad« im Remstal
1514, an dem sich auch die Untertanen des Klosters Lorch betei-
ligt hatten. Es ging hierbei um eine politische und soziale
Besserstellung des »gemeinen Mannes«, der großen Masse der
Untertanen in Stadt und Land. Bemerkenswert ist, daß diese Be-
wegungen nicht etwa Neues schaffen wollten, sondern darauf
drangen, daß alte Rechtsverhältnisse wiederhergestellt werden
sollten. Es ging um das »alte Recht«, das gegenüber den Neue-
rungen, die als politische und soziale Verschlechterungen emp-
funden wurden, wieder zur Geltung gebracht werden sollte.
Die Forderung nach dem »alten Recht« muß für die Zeitgenos-
sen eine auffallende Übereinstimmung mit Luthers Schrift-
prinzip gehabt haben, mit seinem Grundsatz, daß Glaube und
Kirche am Maßstab der Bibel zu messen und die im Laufe der
Geschichte aufgekommenen Neuerungen deswegen zu über-
prüfen seien. Hinzu kommt, daß das »alte Recht« alsbald als
»göttliches«, d. h. von Gott gesetztes Recht gesehen wurde.
Dies ist eine Vorform dessen, was man später als Naturrecht und
als Menschenrechte bezeichnete. Hier liegt auch der Grund da-
für, weshalb man nun die Leibeigenschaft, eine jahrhunderte-
lang unbestrittene Einrichtung, als Unrecht empfand. Dies ist
sicher auch als Auswirkung von Luthers Schlagwort von der
»Freiheit eines Christenmenschen« zu sehen, die keineswegs
nur als individuelle Freiheit verstanden wurde, sondern ebenso
als Freiheit der Gemeinde, sich einen eigenen Pfarrer zu wählen,
wie es ursprünglich von Luther vorgeschlagen worden war.
Für die Grundlagen vgl. Martin Brecht/Hermann Ehmen Südwest-
deutsche Reformationsgeschichte. Stuttgart 1984. Zum Kloster Lorch
vgl. Die Benediktinerklöster in Baden-Württemberg. Bearb. v. Franz
Quarthai. Augsburg 1975 (= Germania Benedictina, Bd. 5) S. 370 -
381.
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