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DAS KUNSTGEWERBE.

Für unsere übersichtliche Schilderung ordnen wir uns den Stofs nach zwei
Gruppen, indem wir einmal uns die Wohnung betrachten wollen, mit dem, was
speciell zu ihrem Schmuck und zu ihrer Ausstattung gehört, und sodann insge-
sammt die übrigen mehr srei und unabhängig geschaffenen Dinge.
I. Die Wohnung.

I. Die moderne Wohnung.
Man sollte denken, mit unserer Wohnung sei es gerade
wie mit der Mode, die ja durchaus international und nicht
national ist, aber gar keine Frage bildet. Die Mode wird
von irgendwo dirigirt, und jeder beugt sich ihr, weil es einmal
so sein muss, ohne zu sragen und zu denken. So war es
auch mit der Wohnung. Die Muster für Tapeten, Möbelstoffe
und Tapezierarbeiten kamen von Paris, was von Paris kam,
war schön und geschmackvoll, und es galt nur, das Neueste
recht neu und schnell zu haben. Das war der Standpunkt der
modernen Industrie, der modernen Civilisation in den moder-
nen Culturstaaten. Ja, wenn wir recht berichtet sind, so soll
es irgendwo in deutschen Landen eine Mustercentralanstalt
gegeben haben, die ihre eigenen Agenten an den Ufern der
Seine hielt. Die lagen beständig aus der Lauer, hörten das
neue Gras wachsen, ergatterten die jungen Muster und sende-
ten sie ssugs heim zur Mutteranstalt, von wo sie, mit der Scheere
getheilt, den Fabriken des Landes zusiossen. Wenn nun mit
der Saison von drüben her aus der grossen Geburtsstätte der
Moden die neuen Tapeten, die neuen Modestofse in die Welt
hinauskamen, da fanden sie überall schon ihres Gleichen und
hatten das Nachsehen mit langen Gesichtern. Es ist gerade
wie die Geschichte von dem berühmten Wettlauf auf der
Buxtehuder Haide, wo der kluge „Swinegel" und des Swinegels
Frau auch immer rusen konnten, wenn der Hase ankam:
„Ich bin schon hier", und so dem schnellen Kunstläuser den
Sieg abgewannen. Natürlich glauben wir die Geschichte nicht.
Nun, heute ist es nicht mehr so: die Zeiten haben sich
geändert und werden sich noch mehr ändern. Nur in den
unteren Tapeziererregionen und ihrem Publicum, oder in jenen
Häusern, wo der erste, schnell erworbene Reichthum nach
Glanzentfaltung drängt, da imponirt noch „das Neue" und
„das Neueste". Alles, was sich auf die Ausstellung gewagt
hat, das lehrt uns erkennen, dass die Wohnung auch eine
künstlerische geworden ist, und dass die Nationen zu ihr Stellung genommen haben
oder zu nehmen trachten.
Frankreich, wenn man will, repräsentirt noch die Mode, aber was wie

Bordüre von Drächsler
in Wien.
 
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