wieder erweckt - denn diese Art zu denken schlummert nie als diese
Art von Worten, die auf den Bergen eingeschlafen war, wo sie Plotin
geblendet im Stich gelassen hatte, und sich die Hand vor Augen hielt, wie
vor einer ungeheuren Feuersbrunst.
Aber der Organismus ihrer Gedanken ist seltsam verschieden. Platon
und Plotin sind vor allem die Fürsten der Dialektik. Sie kommen zum
Mystizismus durch die Wissenschaft der Dialektik. Sie machen Gebrauch
von ihrer wortstreitenden Seele und scheinen ihrer anschauenden oder
betrachtenden Seele zu misstrauen. DieVemunft betrachtet sich im Spiegel
derVernunft und bemüht sich, gegen den Reiz jedes andern Widerscheins
unempfindlich zu bleiben. Sie setzt ihren Lauf fort, wie ein Süsswasser-
strom inmitten des Meeres, mit dem Vorgefühl baldiger Auflösung. Hier-
finden wir im Gegenteil die Gewohnheiten asiatischen Denkens vor; die
anschauende Seele herrscht allein über der dialektischen Ausmusterung
derVorstellungen durch dasWort. Die Ketten des Traumes sind gefallen.
Ist dies minder gewiss? Niemand vermag es zu sagen. Der Spiegel der
menschlichen Intelligenz ist in diesem Buche etwas völlig unbekanntes;
aber es giebt darin einen andern Spiegel, der dunkler und tiefer ist, und
den wir im innersten Kern unsres Wesens bergen; auf ihm lässt sich keine
Einzelheit scharf erkennen, und auf seiner Oberfläche halten sich Worte
nicht; dieVemunft zerbräche ihn, wenn sie einen Augenblick ihr weltliches
Licht darauf fallen liesse; aber etwas andres zeigt sich darauf zuweilen.
Ist es die Seele? Oder Gott selbst? Oder das eine und das andre zugleich?
Man wird es niemals ergründen; und doch sind diese fast unsichtbaren
Erscheinungen die einzigen wahren Herrscherinnen des Lebens - auch
des Ungläubigsten und Blindesten unter uns. Hier - wird man nichts
andres wahrnehmen, als die dunklen Spiegelungen dieses Glases; und
wie sein Schatz unerschöpflich ist, gleichen diese Spiegelungen keiner
von denen, die wir in uns selbst erfahren haben; und trotz allem erscheint
ihre Gewissheit ausserordentlich. Darum weiss ich auch nichts erschreck-
licheres, als dieses Buch von gutem Glauben. Es giebt auf Erden keine
psychologische Kenntnis,keine metaphysische Erfahrung, keine mystische
Intuition, so verworren, tief und unerwartet sie auch sein mögen, die wir
nicht nötigenfalls nachbilden undeinen Augenblickin uns selbst zum Leben
erwecken könnten, um uns von ihrer Uebereinstimmung mit dem Mensch-
lichen zu überzeugen; aber hier gleichen wir dem blinden Vater, der sich
Art von Worten, die auf den Bergen eingeschlafen war, wo sie Plotin
geblendet im Stich gelassen hatte, und sich die Hand vor Augen hielt, wie
vor einer ungeheuren Feuersbrunst.
Aber der Organismus ihrer Gedanken ist seltsam verschieden. Platon
und Plotin sind vor allem die Fürsten der Dialektik. Sie kommen zum
Mystizismus durch die Wissenschaft der Dialektik. Sie machen Gebrauch
von ihrer wortstreitenden Seele und scheinen ihrer anschauenden oder
betrachtenden Seele zu misstrauen. DieVemunft betrachtet sich im Spiegel
derVernunft und bemüht sich, gegen den Reiz jedes andern Widerscheins
unempfindlich zu bleiben. Sie setzt ihren Lauf fort, wie ein Süsswasser-
strom inmitten des Meeres, mit dem Vorgefühl baldiger Auflösung. Hier-
finden wir im Gegenteil die Gewohnheiten asiatischen Denkens vor; die
anschauende Seele herrscht allein über der dialektischen Ausmusterung
derVorstellungen durch dasWort. Die Ketten des Traumes sind gefallen.
Ist dies minder gewiss? Niemand vermag es zu sagen. Der Spiegel der
menschlichen Intelligenz ist in diesem Buche etwas völlig unbekanntes;
aber es giebt darin einen andern Spiegel, der dunkler und tiefer ist, und
den wir im innersten Kern unsres Wesens bergen; auf ihm lässt sich keine
Einzelheit scharf erkennen, und auf seiner Oberfläche halten sich Worte
nicht; dieVemunft zerbräche ihn, wenn sie einen Augenblick ihr weltliches
Licht darauf fallen liesse; aber etwas andres zeigt sich darauf zuweilen.
Ist es die Seele? Oder Gott selbst? Oder das eine und das andre zugleich?
Man wird es niemals ergründen; und doch sind diese fast unsichtbaren
Erscheinungen die einzigen wahren Herrscherinnen des Lebens - auch
des Ungläubigsten und Blindesten unter uns. Hier - wird man nichts
andres wahrnehmen, als die dunklen Spiegelungen dieses Glases; und
wie sein Schatz unerschöpflich ist, gleichen diese Spiegelungen keiner
von denen, die wir in uns selbst erfahren haben; und trotz allem erscheint
ihre Gewissheit ausserordentlich. Darum weiss ich auch nichts erschreck-
licheres, als dieses Buch von gutem Glauben. Es giebt auf Erden keine
psychologische Kenntnis,keine metaphysische Erfahrung, keine mystische
Intuition, so verworren, tief und unerwartet sie auch sein mögen, die wir
nicht nötigenfalls nachbilden undeinen Augenblickin uns selbst zum Leben
erwecken könnten, um uns von ihrer Uebereinstimmung mit dem Mensch-
lichen zu überzeugen; aber hier gleichen wir dem blinden Vater, der sich