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Häßler, Hans-Jürgen; Rösing, Friedrich Wilhelm
Zur inneren Gliederung und Verbreitung der Vorrömischen Eisenzeit im südlichen Niederelbegebiet (Teil 1): Mit e. Beitr. von F. W. Rösing über Die Leichenbrände der eisenzeitlichen Gräberfelder von Bargstedt I, Harsefeld und Issendorf III (Kreis Stade) — Hildesheim: Verlag August Lax, 1977

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.65516#0114
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von der Regel seinen Niederschlag finden kann. Eine weitere Möglichkeit für Ausnahmeerschei-
nungen liegt in dem mit archäologischen Methoden nur selten durchführbaren Nachweis von
Doppel- oder gar Dreifachbestattungen, die gelegentlich angetroffen werden. Zum Beispiel können
Männergräber mit ausnahmsweise 2 oder 3 Fibeln auch so erklärt werden212,
Wie von anthropologischer Sicht her ausgeführt wird (s. Anhang), beruht die Methodik der
Leichenbranddiagnostik auf vielen und recht zuverlässigen Merkmalen, so daß auf sie als ein
wesentliches Hilfsmittel zur Bestimmung des Geschlechtes und Alters nicht verzichtet werden kann.
Dies gilt vor allem dort, wo durch das Fehlen von Beifunden — also bei der überwiegenden An-
zahl der Urnengräber überhaupt — die archäologischen Hilfsmittel vollständig versagen. Besonders
für soziologische und demographische Studien ist aber die Kenntnis von Geschlecht und Alter
möglichst vieler Bestattungen eines Friedhofes die wesentliche Voraussetzung. Selbstverständlich
sind der anthropologischen Methodik durch den sehr unterschiedlichen Erhaltungszustand der
Brände Grenzen gesetzt. Viele Diagnosen sind fraglich oder unsicher, der prozentuale Anteil der
unbestimmbaren Leichenbrandreste z.T. erheblich, so daß bei der Interpretation der Untersu-
chungsergebnisse eine kritische Beurteilung nicht außer Acht gelassen werden darf. Was aber sicht-
bar wird, sind grundsätzliche Tendenzen, deren Aussage auf einer breiteren Basis, und — wie Ver-
fasser meint — auch auf objektiveren Maßstäben fußen.
Daß damit die archäologischen Kriterien für diese Fragestellung keinesfalls überflüssig werden,
sondern als Kontrollmechanismus der Anthropologie wertvolle Hinweise geben können, zeigen die
allerdings nur sehr seltenen Befunde, wo beide Bestimmungsergebnisse voneinander abweichen213.
Solche Beispiele weisen auch darauf hin, daß vereinzelt Diagnosen nicht zuzutreffen brauchen. Im
Gegensatz zu den zahlreichen Beispielen, wo sowohl die archäologische als auch anthropologische
Geschlechtsbestimmung übereinstimmt, fallen diese ungenügend abgesicherten Diagnosen aber
nicht ins Gewicht. Gerade die große Treffsicherheit bei den Gräbern mit geschlechtsbestimmenden
Funden gibt die Gewißheit, daß auch die Diagnosen der Bestattungen ohne Beigaben in überwie-
gender Anzahl zutreffend sind. Es sei hier auch darauf hingewiesen, daß Herrn F.W. Rösing in
keinem Falle vor der Diagnose die Beigaben der jeweiligen Bestattung bekannt waren.
Ausgehend von der besonders von G. SCHWANTES (1909, 140 ff.; 1921, 1 ff.; 1939, 134 ff.)
vertretenen Meinung zu dieser Thematik lassen sich heute drei wesentliche Fragestellungen formu-
lieren, deren Klärung für die Transparenz kulturhistorischer Aussagen in diesem Gebiet von größe-
rer Wichtigkeit sind:
1. Gab es Frauen- und Männerfriedhöfe, und wenn ja,
2. wann setzen sie relativ-chronologisch an;
3. wurde diese Sitte überregional gleichzeitig aufgenommen oder gibt es in den einzelnen Fund-
räumen diesbezüglich chronologische Unterschiede?
Die erste Frage ist nach dem heutigen Stand der Forschung weitgehend zu bejahen, allerdings
mit der Einschränkung, daß vereinzelt auch Männer auf Frauenfriedhöfen und umgekehrt Frauen
auf Männer fr iedhöfen bestattet wurden.
Durch die Aufarbeitung des Urnenfeldes Bargstedt I kann ein weiterer Friedhof vom Typ Dar-
zau mit zahlreichen Funden vorgelegt werden. Die vonG. Schwantes angegebenen Definitionskrite-
rien für diesen Friedhofstyp (Frauenfriedhof), wie das Fehlen von Waffen, der halbmondförmigen
Bogenklingen und der Trichterurnen, sind auch für Bargstedt kennzeichnend. Auch diebislang nur
auf Friedhöfen vom Typ Rieste bekannt gewordenen Bronzekessel fehlen. Dafür sind für die Spät-
latenezeit und ältere Kaiserzeit Gürtelhaken, lange Zwingen, Spinnwirtel u.a. Kleinfunde vertreten.
212 Man beachte auch die Ausführungen bei T. CAPELLE (1971, 113).
2'-’ So z.B. Bargstedt I, Grab 13, fraglich männlich, mit Kropfnadel, Gürtelhaken und Gürtelring (Anhang Beitrag F.W.
Rösing).

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