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Häßler, Hans-Jürgen; Rösing, Friedrich Wilhelm
Zur inneren Gliederung und Verbreitung der Vorrömischen Eisenzeit im südlichen Niederelbegebiet (Teil 1): Mit e. Beitr. von F. W. Rösing über Die Leichenbrände der eisenzeitlichen Gräberfelder von Bargstedt I, Harsefeld und Issendorf III (Kreis Stade) — Hildesheim: Verlag August Lax, 1977

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.65516#0017
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A. Quellenstand

Eine reich vertretene vorgeschichtliche Quellengruppe im südlichen Niederelbegebiet sind die
großen Urnenfriedhöfe der vorrömischen und römischen Eisenzeit. Von den flachschürfenden
Aktivitäten der Menschen (z.B. Ackerbau) unschwer auffindbar, sind sie im Gegensatz zu den
tieferliegenden Körpergräbern schon relativ früh dem aufmerksamen Beobachter aufgefallen. Die
aus ihnen geborgenen Funde gelangten — in einigen Fällen über die verschiedenartigsten Stationen
— in private Kuriositätensammlungen und in die staatlichen Museen. Es mag somit nicht verwun-
dern, daß sich im Laufe der Zeit eine große Anzahl an Urnenfunden des angesprochenen Zeit-
raumes in den Magazinen ansammelte und dort z.T. unbearbeitet, oft in einem erbärmlichen
Zustand auf unbefristete Zeit liegen blieb.
Da in der Frühzeit archäologischer Tätigkeit vorzugshalber bemerkenswerte Einzelstücke
Beachtung fanden, mag es nicht verwundern, daß insbesondere die mehr oder weniger gut erhalte-
nen Metallfunde aus den Urnengräbern das Interesse der Ausgräber erweckten. Auf die im
Gesamtbefund konservierten mannigfaltigen Kulturäußerungen hingegen wurde weniger geachtet.
Eine derartige Betrachtungsweise der Altertümer lief selbstredend auf eine einseitige Auslese vor
allem von Metallgegenständen und unbeschädigter Grabkeramik hinaus. Zerbrochene Urnen oder
gar grobe Siedlungskeramik wurden weitgehend vernachlässigt, und es fehlt nicht an Berichten, wo
bei alten Grabungen das zerdrückte Tongefäß in der Grabgrube liegen blieb, während man die vor-
handenen Beigaben mitnahm.
Erst mit dem Ausbau der Vor- und Frühgeschichtsforschung zur selbständigen wissenschaft-
lichen Disziplin kamen Ende des 19. Jahrhunderts die methodologischen Ansprüche und damit die
ersten Richtlinien für die Bergung, Inventarisierung und Magazinierung des Fundgutes. Diese An-
sprüche an eine behutsame Fundbergung und Befundbeobachtung steigern sich seitdem mit dem
Erkenntnisstand des eigenen Faches und mit den Hilfsmitteln, welche die Nachbarwissenschaften,
allen voraus die naturwissenschaftlichen Disziplinen, der Vor- und Frühgeschichtsforschung zur
Verfügung zu stellen vermögen. Die Anforderung besonders an die Befundbeobachtung unterliegt
seitdem der Eigendynamik der Forschung. Ihr Ende ist nicht abzusehen.
Als Bearbeiter eines räumlich und zeitlich gesehen doch relativ umfangreichen Themas ist man
mithin auf einen Fundbestand angewiesen, dessen Wertigkeit in bezug auf die erhoffte Infor-
mationsschichtung und -dichte sehr unterschiedlich ausfällt. Antike Schriftquellen über die vorrö-
mische Eisenzeit liegen für das Arbeitsgebiet so gut wie nicht vor, und was sich anführen ließe, ist
oft so allgemein gehalten, daß es wenig wissenschaftlichen Nutzen birgt, ja in einigen Fällen zur
Überinterpretation von Forschungsergebnissen verleiten kann. Was für die Auswertung zur Verfü-
gung steht, sind somit die zahlreichen Urnenfunde und das Siedlungsmaterial, welches im hiesigen
kalkarmen Boden fast ausschließlich auf die Scherben desolater Keramiken reduziert ist.
Der große Fundanfall an Altertümern aus Gräberfeldern der hiesigen vorrömischen Eisenzeit-
periode ist nun — wie es wünschenswert wäre — nicht gleichmäßig über das Arbeitsgebiet verteilt.
Vielmehr spiegeln sich in der überwiegenden Anzahl der Fundkomplexe die verschiedenartigsten
Aktivitäten von zuständigen Ämtern, Laien, Laienforschern und Sammlern wider. Am Beispiel der
Tätigkeit von W. Wegewitz und H. Aust soll exemplarisch versucht werden, den Unsicherheits-
faktor aufzuzeigen, der bei der Bewertung von Forschungsergebnissen, die mit Hilfe eines derart
heterogenen Fundmaterials erarbeitet wurden, nicht aus dem Auge verloren werden darf. Beson-
ders die Fundlücken im Kartierungsbild der verschiedenen Metallobjekte bedürfen einer kritischen
Betrachtung, da sie allzuoft auf einen schlechten Forschungsstand zurückzuführen sind und nicht
einem originären besiedlungsgeschichtlichen Phänomen Ausdruck verleihen. Auf der anderen Seite
dürfen Fundanhäufungen nicht vorschnell als Siedlungsschweipunkt einer Kultur oder Kultur-
gruppe gewertet werden.

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