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Es konnten noch 16 Bestattungen nachgewiesen
werden. Da das Gräberfeld aber stark gestört war,
ließen sich keinerlei Angaben über Anordnung
und Abfolge der Belegung machen. Aufgrund der
Datierung der gefundenen Beigaben ist mit einem
Belegungszeitraum von der Spätlatenezeit bis
zur jüngeren Römischen Kaiserzeit zu rechnen
(Plümer 1980, 260). Dies steht allerdings im
Widerspruch zu der geringen Zahl der gefunde-
nen Gräber: setzt man etwa 200 Jahre als Bele-
gungszeitraum an, so kommt auf alle zwölf-
einhalb Jahre eine Bestattung. Es ist daher wahr-
scheinlicher, dass eine große Zahl von Gräbern
vor ihrer Entdeckung zerstört worden war. Eine
andere Erklärung könnte sein, dass es noch wei-
tere kleinere Bestattungsareale gab, die aber
ebenfalls zerstört bzw. noch nicht entdeckt wor-
den sind.
Von dem Gräberfeld aus Vogelbeck, Kat. Nr. 346,
konnten anhand von fünf Scherben nur zwei ver-
schiedene Gefäße nachgewiesen werden, bei späte-
rem Nachsuchen fanden sich im Umkreis noch wei-
tere Scherben und kalzinierte Knochen. Massive
Erosionsvorgänge und intensive Beackerung haben
jedoch alle weiteren Befunde vernichtet (Werben
1989, 299 ff.). Von dem 1997 entdeckten Urnen-
friedhof von Grone, Kat. Nr. 127, liegen nur vier
Urnen und mehrere Randscherben vor, sodass auch
hier durchaus noch weitere Bestattungen vorhan-
den gewesen sein könnten. Reste von nur drei
Brandgräbern konnten noch von einem Einbecker
Gräberfeld geborgen werden (Kat. Nr. 70).
Auch wenn in keinem Fall ein Gräberfeld vollstän-
dig ergraben werden konnte, so kann man auf-
grund der Betrachtung aller bekannten Fundstel-
len davon ausgehen, dass es sich bei den Friedhö-
fen der Römischen Kaiserzeit in Südniedersach-
sen um kleine Nekropolen mit nur wenigen
Bestattungen gehandelt hat. Dies geht durchaus
konform mit den bisher nachgewiesenen Sied-
lungsstrukturen (vgl. Kap. 5.2), da in den bisher
erforschten Siedlungen jeweils nur wenige Gebäu-
de nachweisbar waren. Wurde dieses Gehöft ver-
lassen, wurde der dazugehörige Bestattungsplatz
ebenfalls nicht weiter belegt.

5.1.4 Grabformen/Friedhofsstrukturen
Die vorherrschende Bestattungsform der Römi-
schen Kaiserzeit in der Germania magna ist die
Brandbestattung in ihren verschiedensten Erschei-
nungsformen (Brandgruben-, Brandschüttungsgrä-
ber, Knochennester und Urnengräber). Allerdings
kritisierte schon von Uslar diese starre Einteilung,
da die Übergänge der einzelnen Typen fließend sind
(1938, 159). Körpergräber bilden die Ausnahme
(z. B. Marwedel, Kr. Lüchow-Dannenberg). Im
Arbeitsgebiet selbst ist kein kaiserzeitliches Ske-
lettgrab bekannt. Dass die Germanen schlichte Be-
gräbnisbräuche praktizierten, beschreibt Tacitus26
im Kap. 2727 der Germania. Dem Bericht des Taci-
tus’ kann an Hand der bekannten Bodenquellen
nur zugestimmt werden; die uns überlieferten Res-
te deuten auf einfache Grabkonstruktionen. Zur
Art der Begräbnisfeier lassen sich keine Aussagen
machen; vorstellbar ist, dass es durchaus „aufwän-
diger“ zugegangen sein könnte, als die heutigen
Reste vermuten lassen.
In Gladebeck, Kat. Nr. 103, wurde beobachtet, dass
eine Urne in einer Steinsetzung stand (Maier 1971,
37). Auf dem Friedhof von Salzderhelden, Kat.
Nr. 315, konnten noch drei erhaltene Urnengräber
(alle ca. 50 cm eingetieft) ohne Steinschutz und ein
Leichenbrandlager als Grabformen angesprochen
werden, die restlichen zwölf Stellen konnten nur
allgemein als Reste ehemaliger Bestattungen (wohl
Reste von Urnenbestattungen) oder Streufunde ge-
deutet werden (Plümer 1980, 260).
Die Urne von Vogelbeck wurde lediglich sehr
flach in den damals noch vorhandenen Lößbo-
den eingetieft und auf den anstehenden Bunt-
sandstein gestellt. Mehrere Urnen des Gräberfel-
des von Polle, Kat. Nr. 283, waren mit Schalen
abgedeckt.
Das Bronzebecken aus Wehmingen, Kat. Nr. 356,
wurde mit weiteren Tonscherben in einem „Hünen-
grabe“ gefunden. Auf dem Gräberfeld von Sor-
sum, Kat. Nr. 338, konnten drei verschiedene Be-
stattungsarten (Urnengräber, Brandschüttungs-
gräber und Knochenlager zusammen festgestellt
werden; Cosack 1989, 20).

26 Es ist der Autorin bei allen verwendeten Tacitus-Zitaten bewusst, dass diese „keinen sachlichen Leitfaden für die germa-
nische Altertumskunde“ (Wiegels 1995, 163; in diesem Sinne auch Pohl 2000, 62 ff.) darstellen. Trotzdem kommt man
nicht umhin, auf die Übereinstimmungen im archäologischen Befund hinzuweisen bzw. bestimmte Aspekte der Germa-
nia als Anregung für weiterführende Interpretationen zu nehmen. Alle Zitate und Übersetzungen der Germania wurden
aus der Reclam-Ausgabe von 1972, Hrsg. M. Fuhrmann, entnommen
27 Zur Diskussion über die Stelle „funeram nulla ambitio“ s. den gleichnamigen Artikel von R. v. Uslar 1968.

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