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Schmidt, Susanne
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 30): Die ältere römische Kaiserzeit in Südniedersachsen — Rahden/​Westf.: Verlag Marie Leidorf, 2002

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https://doi.org/10.11588/diglit.68052#0057
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Frauenbestattungen machen. Eine Änderung in
der Bestattungssitte lässt das vorhandene Mate-
rial zwar nicht direkt erkennen31 32; die Tatsache,
dass prozentual gesehen im Vergleich zu den
übrigen Bestattungsarten, die meisten der vor-
handenen Urnen einem jüngeren Abschnitt der
Römischen Kaiserzeit zuzuordnen sind, der älte-
ren Römischen Kaiserzeit aber nur wenige dieser
Bestattungen, scheint ebendiese Beobachtung
von Siegmund in Westfalen (1996, Anm. 8) und
Schlegel im Neckarmündungsgebiet (2000,
133, Abb. 23) zu bestätigen. Letzterer begründet
das Phänomen mit einer fortschreitenden Roma-
nisierung, wie sie auch in anderen römischen
Grenzgebieten zu beobachten ist. Ob dies auch
für die grenzfernen Gebiete wie das Arbeitsgebiet
zutrifft, kann beim derzeitigen Forschungsstand
noch nicht endgültig entschieden werden.
5.2 Hausbau und Siedlungen
„Nullas Germanorum populis urbes habitari satis
notum est, ne pati quidem inter se iunctas sedes.
colunt discreti ac diversi, ut fonts, ut campus, ut
nemus placuit. vicos locant non in nostrum
morem conexis et cohaerentibus aedificiis: suam
quisque domum spatio circumdat, sive adversus
Casus ignis remedium sive inscentia aedificandi.
ne caementorum quidem apud illos aut tegula-
rum usus: materia ad omnia utuntur informi et
citra speciem aut delectationem. quaedam loca
diligentius illinunt terra ita pura ac splendente,
ut picturam ac liniamenta colorum imitetur.“52
(Tacitus, Germania, Kap. 16).
Im Arbeitsgebiet konnten 165 Fundstellen als Sied-
lungen klassifiziert werden (Karte 1; vgl. Kap. 4.2.2).
Auf die Datierungsproblematik bei Siedlungen ist
schon vermehrt hingewiesen worden, trotzdem
konnten 47 Siedlungen als älterkaiserzeitlich (Lis-
te 8, Karte 9) und zehn als jüngerkaiserzeitlich (Lis-

te 9, Karte 10) bestimmt werden. 23 Fundstellen
(Liste, 10, Karte 11) wiesen sowohl Funde der älte-
ren als auch der jüngeren Römischen Kaiserzeit auf.
Die überwiegende Zahl der Siedlungsfundstellen,
nämlich 83 Stellen (Liste 11, Karte 12), können aus
Mangel an aussagekräftigen Funden nur ganz allge-
mein in die Römische Kaiserzeit datiert werden.
39 Siedlungen weisen eine Platzkonstanz33 von der
vorrömischen Eisenzeit bis zur älteren Römischen
Kaiserzeit auf (Liste 12, Karte 13, vgl. auch Kap. 7).
5.2.1 Fundverteilung
Bei der Betrachtung der Verbreitungskarte (Karte 1)
aller Siedlungen zeichnen sich drei Schwerpunkte
ab. Eine nördliche Konzentration um Hannover,
und weiterer Schwerpunkte zwischen Einbeck und
Göttingen sowie entlang des oberen Abschnittes der
Weser. Analog zu den Grabfunden sind die bewal-
deten Höhenzüge des Berglandes fundleer. Frei von
Siedlungsfunden ist auch die Zone entlang der Lei-
ne zwischen Einbeck und Gronau. Inwieweit diese
Fundleere forschungsgeschichtlich bedingt ist, oder
ob es sich um eine wirkliche Siedlungsleere han-
delt, soll im Kapitel 7 näher untersucht werden.
Betrachtet man nun die Fundverteilung der Sied-
lungen nach chronologischen Aspekten, fällt auf,
dass die jüngerkaiserzeitlichen Fundstellen eher im
nördlichen Teil des Arbeitsgebietes zu finden sind.
5.2.2 Auffindungsart und Auffindungszeit
Die überwiegende Zahl der Siedlungen wurde bei
Feldprospektionen entdeckt. An zweiter Stelle
sind Funde bei Bauarbeiten zu nennen, solche bei
der Feldarbeit sind dagegen zu vernachlässigen.
Die Auswertung der Auffindungszeit von kaiser-
zeitlichen Siedlungsfundplätzen spiegelt deutlich
die forschungsgeschichtliche Aspekte wider (s.
Diagramm 5.4a und b).

31 Auf dem Gräberfeld von Costedt (Siegmund 1996, 5 ff.) zeigte sich, dass von den 44 Gräbern die Urnengräber und Kno-
chenlager besonders im Randbereich des Friedhofsareals auftraten, die ältesten Gräber des Friedhofes - ausschließlich
Brandschüttungsgräber, die in die Stufen Eggers B2/C1 datiert werden konnten, lagen dagegen auch im Zentrum des Are-
als, das frei war von Urnenbestattungen. Diese Beobachtung könnte ein Hinweis sein auf einen Wechsel der Bestattungs-
sitten von der älteren Römischen Kaiserzeit zur jüngeren Römischen Kaiserzeit.
32 „Dass die Völkerschaften der Germanen keine Städte bewohnen, ist hinreichend bekannt, ja dass sie nicht einmal
zusammenhängende Städte dulden. Sie hausen einzeln und gesondert, gerade wie ein Quell, eine Fläche, ein Gehölz ihnen
zusagt. Ihre Dörfer legen sie nicht in unserer Weise an, dass die Gebäude verbunden sind und aneinander stoßen: Jeder
umgibt sein Haus mit freiem Raum, sei es zum Schutz gegen Feuersgefahr, sei es aus Unkenntnis im Bauen. Nicht einmal
Bruchsteine oder Ziegel sind bei ihnen im Gebrauch; zu allem verwenden sie unbehauenes Holz, ohne auf ein gefälliges
oder freundliches Aussehen zu achten. Einige Flächen bestreichen sie recht sorgfältig mit einer so blendend weißen Erde,
dass es wie Bemalung oder farbiges Linienwerk aussieht.“
33 Dazu wurden nur die Siedlungen gezählt, die sowohl spätlatenezeitliche Funde als auch explizit Funde der älteren Römi-
schen Kaiserzeit aufwiesen. Die Zahl der Fundstellen, die in die Eisenzeit und nur ganz allgemein in die Römische Kai-
serzeit zu datieren sind, ist mit über 80 Belegen deutlich höher.

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