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Lönne, Petra
Materialhefte zur Ur- und Frühgeschichte Niedersachsens (Band 31): Das Mittelneolithikum im südlichen Niedersachsen :: Untersuchungen zum Kulturenkomplex Großgartach - Planig-Friedberg - Rössen und zur Stichbandkeramik — 2003

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.68368#0079
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5. Zu den mittelneolithischen Erdwerken und Palisadenanlagen

5.1 Forschungsgeschichte und allgemeine
Aspekte
Die ersten Nachweise von neolithischen Erdwer-
ken oder auch „Grabenwerken'1 in Deutschland
wurden bereits am Ende des 19. Jahrhunderts -
1884 auf dem Michelsberg bei Untergrombach,
Ldkr. Karlsruhe, und 1898 bei Urmitz, Ldkr. May-
en-Koblenz - bekannt und zunächst noch aus-
schließlich als Befestigungsanlagen interpretiert353.
Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Thematik
lieferten später Buttler und Haberey mit der
1936 erschienenen Publikation über das erst-
mals vollständig freigelegte linienbandkerami-
sche Grabenwerk von Köln-Lindenthal354. Diese
Veröffentlichung hatte eine rege Diskussion über
die Funktion derartiger Anlagen zur Folge.
Eindeutige mittelneolithische Erdwerke (Groß-
gartach bis Planig-Friedberg) wurden allerdings
erst in den späten 60er und 70er Jahren im Rhein-
land und in Westfalen bekannt. Zu nennen ist in
diesem Zusammenhang der 1966 bzw. 1971 un-
tersuchte, kreisförmige Grabenring von Bochum-
Harpen (Abb. 25:4), die rechteckige Anlage von
Bochum-Laer (Untersuchung 1969) (Abb. 25:5)
sowie die Grabenwerke von Langweiler-12 (Un-
tersuchung 1970) (Abb. 25:5) und Hambach-260
(1979-80) (Abb. 25:2), beide Kr. Düren355. In Nie-
dersachsen setzte die Erforschung neolithischer
Erdwerke in den 1930er Jahren mit der Untersu-
chung der teilweise vermutlich jungneolithischen
„Beusterburg“ bei Betheln, Ldkr. Hildesheim,
ein356. Erst in den 80er und 90er Jahren konnten
vor allem im Rahmen systematisch durchgeführ-

ter Luftbildprospektionen zahlreiche weitere neo-
lithische Grabenwerke auch im niedersächsischen
Raum lokalisiert werden357. Aus mittelneolithi-
schem Kontext sind bisher nur wenige eindeuti-
ge Erdwerke bekanntgeworden, von denen zwei
im Arbeitsgebiet liegen (vgl. Abb. 25:1 bzw. Abb.
25:5, 7). Dabei handelt es sich um das 1986-1987
im Zuge von Bauarbeiten angeschnittene und in
Teilausschnitten untersuchte, vermutlich rössen-
zeitliche Grabenwerk von Obernjesa-16, Ldkr.
Göttingen (Kat.-Nr. 71, Taf. 154, Taf. 157:54, Taf.
158), sowie um das 1986 im Rahmen einer Son-
dierungsgrabung entdeckte, wahrscheinlich Pla-
nig-Friedberger Erdwerk von Großenrode-14,
Ldkr. Northeim (Kat.-Nr. 152-2, Taf. 226, Taf.
176-185), das in mehreren Grabungskampagnen
zwischen 1988 und 1990 durch das Seminar für
Ur- und Frühgeschichte der Universität Göttin-
gen in Teilbereichen untersucht werden konnte.
Die bisher nur im Rahmen kleinräumiger Such-
schnitte erfolgte Erschließung des Obernjesaer
Erdwerks, erlaubt vorerst keine detaillierten Aus-
sagen zur Konstruktion und zeitlichen Stellung
dieser Grabenanlage.
Bereits 1984 konnten im Bereich des Helmstedter
Braunkohlentagebaus auf einem wohl rössenzeit-
lichen Siedlungsplatz bei Esbeck/Schöningen-7,
Ldkr. Helmstedt, die Reste eines Palisadengräb-
chens aufgedeckt werden, das ein eigenständi-
ges Bauprinzip der neolithischen Umhegungen
darstellt (Abb. 17)358. Ein ähnlicher Befund liegt
vermutlich auch mit den zwei Grabenabschnitten
von Kohnsen-9, Ldkr. Northeim (Kat.-Nr. 107-
267,107-288), vor, die 1991 im Rahmen von Ret-

353 Vgl. u.a. Lehner 1901 (Urmitz)', 1911 (mit einer Zusammenfassung der bis dahin bekannten Anlagen und Interpretations-
versuch). Boelicke 1978; Lehner 1912, 276-282. Siehe auch das 1910 untersuchte linienbandkeramische Erdwerk von
Niedervellmar, Stadt Kassel; dazu Raetzel-Fabian 1991, 22. Zur Forschungsgeschichte der Erdwerke ausführlicher Butt-
ler 1938, 9-11; Lüning 1984a, 9-16; Petrasch 1990, 369-371; 1991, 411-414. Eine detaillierte Bestandsaufnahme der neo-
lithischen Grabenanlagen gibt Andersen 1997. Eine Zusammenstellung altneolithischer Grabenwerke in Niederbayern
findet sich bei Schmotz 1997.
354 Buttler, Haberey 1936. Bernhardt 1986, 106-108; 1990.
355 K. Brandt 1967, 74-76, 88. Günther 1973; 1973a, Abb. 1. Trier 1979, 20. Ihmig u.a. 1971. Eckert u.a. 1972, 380-386.
Dohrn-Ihmig 1983a, 18-22.
356 Tackenberg 1951 (Michelsberger Kultur). Die verschiedenen Datierungsvorschläge (Michelsberger Kultur, Trichterbech-
erkultur, Munzinger Fazies', Munzinger Gruppe) zusammenfassend bei Maier 1970, 71: Anm. 244. Heine 1981, 291 (mit
weiterführender Literatur).
357 1981-1982 wurde bei Esbeck/Schöningen-1 („Nachtwiesenberg“), Ldkr. Helmstedt, im Rahmen von baubegleitenden Gra-
bungen am geplanten Standort des Kohlekraftwerks Buschhaus ein linienbandkeramisches Erdwerk untersucht; vgl. Fan-
sa, Thieme 1983; 1983a. Stellvertretend für die zahlreichen durch Befliegung nachgewiesenen, zumeist jungneolithischen
Erdwerke soll hier die 1990 entdeckte Michelsberger Anlage bei Northeim-„Kiessee“ genannt werden; dazu Siegmund,
Viehmeier 1994.
358 Maier 1995, 123-130.

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