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Deutscher Altphilologenverband [Editor]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 14.1971

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Nr. 1
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Schulze, Karl Paul: Neue Möglichkeiten für den altsprachlichen Unterricht?
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Pfister, Raimund: Thesen zu Linguistik und Sprachunterricht
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https://doi.org/10.11588/diglit.33079#0016

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an den bewährten Grundsätzen fest, gestalten wir den Unterricht s-o effizient
wie möglich, finden wir im Gespräch zu einander. Dann werden auch viele junge
Menschen des ausgehenden 20. Jahrhunderts unter schwierigeren Entscheidungen
und Bedingungen als früher - das muß man schließlich gerechterweise zugeben -
sich für die Wahl einer oder sogar beider klassischer Sprachen aussprechen. Wenn
wir unsere Sache nicht aufgeben, ist diese auch in Zukunft nicht verloren.
Karl Schulze/Duisburg

Thesen zu Linguistik und Sprachunterricht
(Entnommen: „ANREGUNG“ 1969/6)
1. Der Lehrer der Alten Sprachen, der sich früher einer starken und un-
mittelbaren Unterstützung durch die Indogermanistik erfreuen durfte, wird von
der modernen Linguistik weitgehend alleingelassen.
2. Bei der verwirrenden Fülle moderner linguistischer Verfahrensweisen müs-
sen dem Altsprachler durch vereinfachende Thesen Anhaltspunkte für seinen
Grammatikunterricht gegeben werden. Außerdem sollen Thesen ihrem Wesen
nach die Diskussion von Problemen provozieren, hier von solchen, deren Klä-
rung für den altsprachlichen Unterricht von besonderer Bedeutung ist.
3. Auf den Modebegriff des Strukturalismus berufen sich - auch bei Ein-
schränkung des Begriffes auf eine strukturelle Grammatik — so verschiedenartige
Verfahrensweisen, daß er nicht mehr präzis und allgemeingültig definierbar und
deshalb für eine Diskussion kaum mehr brauchbar ist.
4. Der „klassische“ Strukturalismus der amerikanischen Schule mit seiner
Analyse vorgegebenen Sprachmaterials nach rein formalen Gesichtspunkten un-
ter theoretisch vollständiger Ausschaltung der Bedeutung ist durch die Entwick-
lung überholt.
5. Wenn eine Grammatik die gesprochene Sprache als einzigen oder haupt-
sächlichen Forschungsgegenstand ansieht, dann ist sie für den altsprachlichen
Unterricht nicht geeignet.
6. Wenn eine Grammatik ausschließlich synchron vorgeht, dann wird sie den
didaktischen Zielsetzungen des Lateinunterrichts am Gymnasium nicht gerecht,
weil sie auf viele Mittel zur Erklärung eines Sprachzustandes verzichtet. Für den
altgriechischen Unterricht ist eine solche Grammatik nicht brauchbar.
7. Wenn eine Grammatik die Kategorien „falsch“ und „richtig“ nicht an-
erkennt, weil sie nur vorgegebenes Sprachmaterial analysiert, dann ist sie für
einen Lektüreunterricht möglich, sofern man die Ergebnisse der Textkritik un-
geprüft übernimmt. Für die Praxis der Spracherlernung ist dieser Grundsatz
nicht brauchbar. Er steht in schärfstem Gegensatz zur generativen Transforma-
tionsgrammatik (= TG), die sich zum Ziel setzt, nur grammatisch richtige Sätze
zu erzeugen und grammatisch falsche oder unmögliche Sätze auszuschalten.
8. Wenn eine Grammatik besonderen Wert darauf legt, jede Sprache nur mit
den ihr eigentümlichen Kategorien zu beschreiben, so mißachtet sie die von der
TG getroffene Scheidung zwischen der (phonetisch realisierten) Oberflächenstruk-

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