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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 14.1971

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Nr. 2
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Buchbesprechungen
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Kytzler, Bernhard: [Rezension von: Wolfgang Schadewaldt, Hellas und Hesperien, 2. Auflage]
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https://doi.org/10.11588/diglit.33079#0048

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einer Verdeutschung der Gefallenen-Rede des Perikies), zur Philosophie und Wissen-
schaft (mit einer Übertragung des Hippokratischen Eides) und schließlich drei Auf-
sätze „Zur römischen Dichtung.“ Doch mit diesen Diskussionen von Texten und Auto-
ren ist der Inhalt des Bandes noch nicht ausgeschöpft: es treten hinzu je drei Arbeiten
„Zur Antiken Humanität“ (mit einer eigen geprägten Stellungnahme zum Problem der
„Humanitas Romana“) und über „Allgemeines zur Literatur.“
Hier beginnt sich bereits die Brücke zu Band II „Antike und Gegenwart“ zu span-
nen: er ist jenem Phänomen gewidmet, das vielleicht am glücklichsten durch ein Wort
Goethes3 bezeichnet wird: „Es gibt kein Vergangenes, das man zurücksehnen dürfte,
es gibt nur ein ewig Neues, das sich aus den erweiterten Elementen des Vergangenen
gestaltet.“
Schadewaldts immer wieder neu ansetzendes Bemühen trachtet in den großen Lei-
stungen des europäischen Geistesleben jenen Vorgang zu ergründen, den er mehrfach
im Bilde als das Miteinander der Längs- und Querfäden eines Gewebes, als das Inein-
ander von „Zettel“ und „Einschlag“ zu zeigen sucht. Da sind die Aufsätze über Hinter-
gründe und Gegenbilder aus dem Griechischen bei Dichtern und in Dichtungen: Shake-
speare, Goethe, Schiller, Hölderlin, Kleist, Hauptmann, Rilke, Eliot; da sind je drei
Studien zu Winkelmann, zu Carl Orff und - vielleicht am eindringlichsten - drei
Bayreuther Vorträge über „Richard Wagner und die Griechen“. Hier findet sich auch
die Formulierung (II 364) dessen, was Schadewaldt als die dreifach wirkende Kraft
des Griechischen beobachtet: „Es gibt Struktur, wirkt weltformend und verhilft zur
Schöpfung gültiger Gestalten, in denen Anlage und Schicksal sich begegnen.“ Wie diese
schöpferisch stimulierende Kraft des hellenischen Vorbilds in Wagners Werk wirksam
wird, wie Wolfgang Schadewaldt diese Entwicklung weit gefaßt aufweist und mit
Einzelzügen faßbar verdeutlicht, das zählt zu den faszinierenden Partien dieses Bandes.
Aber die bisher benannten Beiträge bilden, zusammengefaßt als 1. Teil unter der
Überschrift „Zur neueren Literatur“, nur die eine Hälfte dieses Volumens. Es folgt
der nicht minder umfangreiche Schlußteil „Fortleben der Antike“. In diesem sind nicht
nur Nachrufe und Begrüßungen, persönliche Publikationen und Paignia zusammenge-
faßt, sondern vor allem jene Auseinandersetzungen mit Fragen, die sich der gegenwär-
tigen Gesellschaft - gelegentlich gefährlich - stellen. Insbesondere ist der Komplex
„Griechentum und moderne Technik“ (S. 461-527) hervorzuheben: 5 Vorträge, die sich
mit jenen Spannungen im modernen Dasein beschäftigen, die aus der Technisierung des
Lebens resultieren und hier von den Ursprüngen unseres europäischen Denkens und
Werkens her bestimmt und besprochen werden. Nicht umsonst steht dieser Komplex
in der Mitte zwischen zwei anderen Gruppen: „Gegenwart der Antike“ (S. 436-460)
und „Bildung und Philologie“ (S. 528—607), deren eine vier, deren andere acht Studien
zu den im Titel genannten Gebieten aufweisen. Dieses Dreieck der Bezüge, d. h. die
geistige Gegenwart der Antike einerseits, die wissenschaftliche und pädagogische Be-
handlung dieses Phänomens andererseits und schließlich die Stellungnahme zum großen
Kontrahenten der modernen Lebenswirklichkeit, zur neuzeitlichen Technik, bildet die
Basis dieses Bandes, den Kern- und Schwerpunkt der Aussagen, mit denen sich diese
Stimme eines Meisters des altphilologischen Metiers in der fachfernen und fachfrem-
den — mitunter ja leider auch fachfeindlichen — Öffentlichkeit vernehmen läßt; hier
vor allem liegt auch das Interesse dieser Publikation für den Lehrer, der gültig gefaßte
Gedanken zu nicht wenigen seiner komplizierten Tagesprobleme findet. Auch die prak-
tischen Erwägungen zur konkreten Gestaltung des Unterrichts verdienen hervorgeho-
ben zu werden, die sich in dem Aufsatz „Gedanken zu Ziel und Gestaltung des Unter-

3 An Kanzler Müller am 4. November 1823, zitiert Hellas und Hesperien2 II 27.

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