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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 33.1990

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Nr. 2
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Aufsätze
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Fuhrmann, Manfred: Neues über die "Fälle aus dem römischen Recht": Ein bedauerlicher Prozeß um Urheberrechte
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https://doi.org/10.11588/diglit.35873#0036

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tum)" und ,,Haftung für Sachbeschädigung: die lex Aquilia" ganze Textblöcke mit
dem entsprechenden Material der,,Fälle" identisch, wobei X lediglich die Reihenfolge
abgeändert habe. X könne sein Vorgehen auch nicht mit den ,,Projektlisten" rechtfer-
tigen: dort werde der Lehrer, nicht aber ein potentieller Schulbuchautor angespro-
chen; außerdem handele es sich dabei um Interpretationen des Lehrplans, die keines-
wegs verbindlich seien, sondern als erste Orientierung und als Anregung dienen soll-
ten.
Soviel zum Verfahren gegen X, zu dem sich FL nicht zuletzt deshalb entschlossen, weil
zuvor der unerquickliche Disput mit der Münchener Kultusbehörde stattgefunden hat-
te. Sie wurden in ihrem Entschluß durch einen Umstand bestärkt, der bei ihnen Kopf-
schütteln erregte: das Werk von X enthielt einen Text, den sie für die Neuauflage vor-
gesehen hatten, für jene erweiterte Auflage, deren Manuskript zwar bei der bayeri-
schen Kultusbehörde eingereicht, die jedoch im übrigen nicht veröffentlicht worden
war. Jener Text handelt nicht vom Familien- oder Erbrecht, dem Hauptgegenstand der
von FL geplanten Erweiterung; er befaßt sich u.a. mit dem seit Augustus bestimmten
Juristen verliehenen ius publice respondendi und sollte in den einleitenden Abschnitt
über ,,Recht und Prozeß der Römer" eingefügt werden. Diesen Text also fanden FL
auch bei X, obwohl die ,,Projektlisten" keine Handhabe für seine Berücksichtigung
boten, und sie fanden ihn in derselben Fassung, die sie für die Neuauflage der,,Fälle"
hergestellt hatten. Ein passus ist nämlich korrupt überliefert, und zwar so (Digesten
1,2,2,49):
Et ideo optimus princeps Hadrianus, cum ab eo viri praetorii peterent, ut sibi liceret
respondere, rescripsit eis hoc non peti, sed praestari solere et ideo, si quis fiduciam
sui haberet, delectari se populo ad respondendum se praepararet.
Hierzu schlägt Mommsen die folgende Emendation vor:
. . . delectari se, si populo ad respondendum se praestaret (vel praeberet).
Doch weder FL noch X machten sich diese Lösung ganz zu eigen; sie schrieben viel-
mehr übereinstimmend:
. . . delectari se, si populo ad respondendum se praepararet.
Welche Bewandtnis es mit diesem Zusammentreffen haben mag, daß FL zu grübeln
begannen, wird man um so begreiflicher finden, als X noch nie als Textkritiker hervor-
getreten war.
Zum Schluß verdient noch ein schon angedeutetes Faktum Erwähnung, das nicht The-
ma des urheberrechtlichen Verfahrens gewesen ist: die anfechtbare Qualität der von X
beigesteuerten Sacherklärungen. Hier ist vieles halbwahr, schief oder unklar — und
manche Partien klingen geradezu abenteuerlich. Da wird unter der Rubrik ,,Die Ent-
wicklung der kaiserlichen Gerichtsbarkeit" (S. 52) das Fideikommiss als,,Anspruch auf
Vermächtnis" definiert; da heißt es unmittelbar darauf, der altrömische Verband der
Großfamilie habe begonnen, sich durch die Emanzipation der erwachsenen Söhne
aufzulösen, und vom kaiserzeitlichen Kognitionsverfahren wird gar versichert, es sei
,,ursprünglich im autonomen Bereich des Kaisers, also im Bereich seiner ausgedehn-
ten Privatbesitzungen, entstanden" usw. Als weiteres Beispiel sei die Einführung zum
Abschnitt ,,Das Sachenrecht" (S. 101 f.) genannt. Formulierungen wie ,,Justinian hat
im wesentlichen nur den Nießbrauch an einem Grundstück oder Grundstücksteil als
Dienstbarkeit einbezogen", oder,,Dabei war für die Römer die Stellung von Bürgen

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