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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 33.1990

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Nr. 3
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Aufsätze
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Stimpel, Michael: Nihil nos impediet - Nothing can stop us: auf Hannibals Spuren über die Alpen 1989
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https://doi.org/10.11588/diglit.35873#0075

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Nihi! nos impediet — Nothing can stop us.
Auf Hannibats Spuren über die Alpen 1989
Es war auf der Ecrins-Hütte im Haute-Dauphine gewesen, ein schneeverhangener Ju-
liabend, keine Chance, morgen auf die Barre des Ecrins zu klettern. Auf der Hütte
rückte man enger zusammen, der Rotwein floß in Strömen. Für den österreichischen
Bergführer neben mir war es klar: ,,Der Hannibal, der ist doch übern Großen St. Bern-
hard 'rüber." Andere widersprachen: ,,Naa naa, übern Kleinen isser!" Franzosen
mischten sich ein, plädierten für,,ihren" Montgenevre bei Briagon. Ich resignierte und
legte die Kopien meines Aufsatzes aus den Händen. Nicht daran zu denken, heute
abend noch Klarheit über die genaue Route von Hannibals Alpenübergang zu gewin-
nen.
Zwei Wochen lang waren wir danach die Pässe abgefahren und abgelaufen, die seit
den antiken Berichten bei Polybios und Livius in der Diskussion sind und die Jakob SEi-
BERT in seinem Aufsatz ,,Der Alpenübergang Hannibals. Ein gelöstes Problem?" (Gym-
nasium 95, 1988, 21-73) übersichtlich zusammengefaßt hat. Ich hatte mir in den Kopf
gesetzt, mit den Lateinschülern der 10. Klasse die Hannibalroute zu Fuß und by fair
means zu wiederholen, ein ,thematischer Landheimaufenthalt", wenn man so will.
Zehn Jahre lang, seit meiner Referendarzeit 1979, hatte ich diese Idee mit mir herum-
getragen, in mir bewahrt, gehegt, wachsen lassen. Damals hatte mein Mentor, Vater,
Freund und Vorbild in einem, mir rundheraus davon abgeraten: zu gefährlich, unkal-
kulierbare Risiken. In der Zwischenzeit war ich selbst viel gewandert, geklettert, hatte
Kurse besucht, war mit Schulklassen ins Landheim nach Südtirol gegangen und hatte
immer wieden den tiefen, aufwühlenden und verändernden Eindruck erlebt, den die-
se in den Bergen verbrachten Tage auf die Jugendlichen gemacht hatten. Daraus wa-
ren ihnen Orientierungen entstanden, langjährige Freundschaften, der Mut zur Selb-
ständigkeit. Erst Jetzt, nach 8 Jahren an derselben Schule, hatte ich wieder eine Grup-
pe beisammen, mit der ich den Mut in mir fühlte, aufzubrechen.
Die Voraussetzungen von Seiten der Schule und der Schüler waren mit den wissen-
schaftlichen Gesichtspunkten zu vermitteln: eine Woche Zeit; möglichst billig (< 250
DM); physisch und psychisch von einer Gruppe bergunerfahrener Schüler/innen von
15-18 Jahren zu leisten; zudem sollte der Weg alpin interessant und landschaftlich
reizvoll sein. All dies zusammengenommen, fiel meine Wahl auf den Col du Clapier,
einen 2450 m hohen Paß im Mont Cenis-Gebiet (Haute Maurienne/Savoie).
Diesen Vorschlag unterbreitete ich den Schülern der 10. Klasse zu Beginn des Schul-
jahres für Ende Juni 1990; die Idee war, zunächst die antiken Texte zu lesen, zu ver-
gleichen, die Problematik des Weges zu diskutieren und am Ende des Schuljahres die
Reise als Frucht unserer unterrichtlichen Bemühungen zu ernten. Es kam anders: wie
ein Blitz schlug der Name Hannibal ein, die Schüler drängten, nachdem sie die ersten
Bilder vom Sommer gesehen hatten, auf baldmöglichsten Aufbruch, und auch mir er-
schien eine Woche Ende September für diese hochalpine Wanderung vom Wetter her
günstiger. Gesagt, getan. In nur vier Wochen war nun alles vorzubereiten:
— Genehmigung der Schulleitung, die davon abhing, daß alle Nichtlateiner zur sel-
ben Zeit ein anderes Landheim fanden;
— Finden von Kollegen, die zu deren Begleitung bereit waren;

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