AMgriechisch und Neugriechisch - Versuch einer Kooperation
Wir haben mit großer Freude den Bericht von ]. Fischer in Heft 1/1989 dieser
Zeitschrift gelesen, vor allem deswegen, weil wir aus diesem entnehmen konnten,
daß eine Einbeziehung des Neugriechischen in den altsprachlichen (schulischen)
Unterricht Beachtung findet, unter anderem bemüht sich laut j. Fischer sogar der
(frühere) 1. Vorsitzende des DAV darum, „dem Fach Neugriechisch . . . eine Existenz-
möglichkeit zu verschaffen". ')
Unser Projekt, basierend auf der Zusammenarbeit eines Altphilologen und eines
Germanisten, geht sogar noch weiter, indem es integrativ Altgriechisch mit Neugrie-
chisch verbindet. Die Ausgangsposition war dadurch gekennzeichnet, daß wir ver-
suchen wollten, Altgriechisch und Neugriechisch zusammen zu lehren, weit wir der
Meinung sind, daß sich diese beiden Sprachen so fundamental nicht voneinander
unterscheiden, wie es (in Deutschland) als Stereotyp immer wieder stillschweigend
vorausgesetzt oder sogar postuliert wird. Im Gegensatz dazu geht etwa die neugrie-
chische Sprachwissenschaft geradezu als Axiom davon aus, daß sich Altgriechisch
und Neugriechisch nicht substantiell unterscheiden, zumindest aber davon, daß das
Neugriechische eine Sprache sei, die sich am wenigsten von allen europäischen
Sprachen von ihrem Ursprung entfernt hatd)
Wir wollen hier jetzt diesen eher systematischen Gedanken nicht weiter verfolgen,
sondern darstellen, wie und mit welchen Prämissen wir ein fahr lang in einem
freiwilligen Kurs am Gymnasium am Giersberg, Siegen, Altgriechisch und Neugrie-
chisch gelehrt haben.') Unser Ausgangspunkt war, wie gesagt, der, daß sich Altgrie-
chisch und Neugriechisch ergänzen können, unser Akzent lag auf dem Gemeinsa-
men, nicht auf dem Trennenden: Ein schönes Beispiel dafür sind Schreibung und
Aussprache. Während die altgriechische und die neugriechische Schreibung der
Wörter fast identisch ist*'), gibt es Abweichungen in der Phonetik.
Das betrifft die sattsam bekannte Schreibung des Lautes [i], aber auch <ß), (y),
(ß), (8) und einige andere. Auch im morphologischen Bereich sind Änderungen
festzustellen: So sind z. B. im Neugriechischen alle gt-Verben verschwunden, der
Dativ ist weggefallen und hat seine Funktion an den Genitiv abgegeben, es gibt
keinen Infinitiv mehr, das Medium ist morphologisch endgültig mit dem Passiv
zusammengefallen, Futur und Perfekt werden periphrastisch gebildet, und Orts- und
Richtungsangaben haben denselben Kasus. Das sind, cum grano salis, die wesentli-
chen Unterschiede vom Altgriechischen zum Neugriechischen, ansonsten sind weit-
gehende Übereinstimmungen zu verzeichnend)
Dagegen hat sich auch manches systematisiert, wie z. B. das Genus der Substantive.
So ist das Genus im Neugriechischen grundsätzlich voraussagbar - im übrigen eine
Überraschung für unsere Nichtlateiner Alle Substantive auf -g sind Maskulina
(ctvipctq, Katpeq, gadgigg, dvffponoq, nannoüq), alle auf -a und -r) sind Feminina
(yuvatxa, aZÄayf]), die Restgruppe sind Neutra, -o, -t, -ga, -go, -v und alle nicht
94
Wir haben mit großer Freude den Bericht von ]. Fischer in Heft 1/1989 dieser
Zeitschrift gelesen, vor allem deswegen, weil wir aus diesem entnehmen konnten,
daß eine Einbeziehung des Neugriechischen in den altsprachlichen (schulischen)
Unterricht Beachtung findet, unter anderem bemüht sich laut j. Fischer sogar der
(frühere) 1. Vorsitzende des DAV darum, „dem Fach Neugriechisch . . . eine Existenz-
möglichkeit zu verschaffen". ')
Unser Projekt, basierend auf der Zusammenarbeit eines Altphilologen und eines
Germanisten, geht sogar noch weiter, indem es integrativ Altgriechisch mit Neugrie-
chisch verbindet. Die Ausgangsposition war dadurch gekennzeichnet, daß wir ver-
suchen wollten, Altgriechisch und Neugriechisch zusammen zu lehren, weit wir der
Meinung sind, daß sich diese beiden Sprachen so fundamental nicht voneinander
unterscheiden, wie es (in Deutschland) als Stereotyp immer wieder stillschweigend
vorausgesetzt oder sogar postuliert wird. Im Gegensatz dazu geht etwa die neugrie-
chische Sprachwissenschaft geradezu als Axiom davon aus, daß sich Altgriechisch
und Neugriechisch nicht substantiell unterscheiden, zumindest aber davon, daß das
Neugriechische eine Sprache sei, die sich am wenigsten von allen europäischen
Sprachen von ihrem Ursprung entfernt hatd)
Wir wollen hier jetzt diesen eher systematischen Gedanken nicht weiter verfolgen,
sondern darstellen, wie und mit welchen Prämissen wir ein fahr lang in einem
freiwilligen Kurs am Gymnasium am Giersberg, Siegen, Altgriechisch und Neugrie-
chisch gelehrt haben.') Unser Ausgangspunkt war, wie gesagt, der, daß sich Altgrie-
chisch und Neugriechisch ergänzen können, unser Akzent lag auf dem Gemeinsa-
men, nicht auf dem Trennenden: Ein schönes Beispiel dafür sind Schreibung und
Aussprache. Während die altgriechische und die neugriechische Schreibung der
Wörter fast identisch ist*'), gibt es Abweichungen in der Phonetik.
Das betrifft die sattsam bekannte Schreibung des Lautes [i], aber auch <ß), (y),
(ß), (8) und einige andere. Auch im morphologischen Bereich sind Änderungen
festzustellen: So sind z. B. im Neugriechischen alle gt-Verben verschwunden, der
Dativ ist weggefallen und hat seine Funktion an den Genitiv abgegeben, es gibt
keinen Infinitiv mehr, das Medium ist morphologisch endgültig mit dem Passiv
zusammengefallen, Futur und Perfekt werden periphrastisch gebildet, und Orts- und
Richtungsangaben haben denselben Kasus. Das sind, cum grano salis, die wesentli-
chen Unterschiede vom Altgriechischen zum Neugriechischen, ansonsten sind weit-
gehende Übereinstimmungen zu verzeichnend)
Dagegen hat sich auch manches systematisiert, wie z. B. das Genus der Substantive.
So ist das Genus im Neugriechischen grundsätzlich voraussagbar - im übrigen eine
Überraschung für unsere Nichtlateiner Alle Substantive auf -g sind Maskulina
(ctvipctq, Katpeq, gadgigg, dvffponoq, nannoüq), alle auf -a und -r) sind Feminina
(yuvatxa, aZÄayf]), die Restgruppe sind Neutra, -o, -t, -ga, -go, -v und alle nicht
94