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Meringer, Rudolf; Mayer, Carl
Versprechen und Verlesen: eine psychologisch-linguistische Studie — Stuttgart, 1895

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https://doi.org/10.11588/diglit.22263#0027
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„Das Bewegungsgefühl bildet sich ja nicht für jedes ein-
zelne Wort befonders, fondern überall, wo in der Rede
die gleichen Elemente wiederkehren, wird ihre Erzeugung
auch durch das gleiche Bewegungsgefühl geregelt."

Jch halte. das einfach für falfch. Die Aussprache
wird in der That für jedes einzelne Wort befonders ge-
lernt, was man gleich sehen wird, wenn man beachtet, wie
vorsichtig tastend wir oft ungewöhnliche Wörter fprechen.
Diefe werden wirklich buchstabierend hervorgebracht, aber
geläufiges, rafches Reden wäre wohl ohne die Wort-
fprechbilder unmöglich.

So ftünde Behauptung gegen Behauptung. Es ist
an der Zeit, daß man sich nach Beweisen umsieht. Diefe
werden erst dann möglich sein, wenn die Beobachtung der
fprechenden Menschen etwas mehr gepflogen werden wird,
als es bis jetzt noch immer der Fall ist, obwohl über die
Notwendigkeit folcher Beobachtungen fchon längft kein
Zweifel ist und sie hervorzuheben nachgerade zu einem
billigen Vergnügen geworden ist.

Jch möchte nur auf eine Analogie hinweifen, die lehr-
.reich zu sein scheint. Man denke an gewisse Erfahrungen
beim Schreiben. Diefes haben wir buchstabierend gelernt,
hier haben wir zweifellos graphifche, motorifche Lautbewe-
gungsbilder, Lautfchreibebilder, wie ich oben fagte, aber
wem kann es entgehen, daß man gewisfe häufige Wörter
(„Ew. Wohlgeboren", „Jhr ergebener", feinen eigenen
Namen u. f. w.) mit andern als den gewöhnlichen
 
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