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Gerd Althoff
Geschichte handelt von dem Konflikt im Jahre 941, als Ottos Bruder Heinrich und
eine Reihe sächsischer Großer geplant haben sollen, den Herrscher zu ermorden.
Einige derer, die man gefangennehmen konnte, waren hingerichtet worden; Hein-
rich selbst jedoch hatte nach einer die Verzeihung seines Bruders gefunden.
Auch den Walbecker Grafen schützte zunächst die Fürsprache anderer Großer,
dann aber erhielt er nicht nur alles zurück, was er verloren hatte, sondern er wurde
darüber hinaus reich beschenkt. Thietmar scheint den Zeitraum der Gefangen-
schaft als überaus lang einzuschätzen. Daß diese Gefangenschaft wohl keine sehr
strenge war, zeigt im übrigen die Tatsache, daß der Gefangene später seine Tochter
mit seinem Wächter verheiratete
In dieser Schilderung finden sich strukturelle Merkmale, die in anderen Kon-
flikten des 10. Jahrhunderts wiederkehren. Je höher der Rang des Gegners, desto
geschützter war er vor negativen Folgen seines Tuns. Vasallen wurden nicht nur in
diesem Beispiel hingerichtet, Rädelsführer dagegen zu mehr oder weniger symbo-
lischen Genugtuungsleistungen genötigt, ehe sie wieder voll in ihre frühere Stel-
lung reintegriert wurden. Um die Wiedererlangung der königlichen Huld auch de-
monstrativ zum Ausdruck zu bringen, wurden sie mit zusätzlichen Geschenken
überhäuft. Diese bevorzugte Stellung und Behandlung resultiert, wie Thietmar un-
mißverständlich zum Ausdruck bringt, aus der Solidarität ihrer Standesgenossen,
an deren Meinung der König nicht Vorbeigehen konnte, wenn er nicht weitere Kon-
flikte provozieren wollte. Der Fall ist mit anderen Worten ein Paradebeispiel für
Formen und Wirkungen der Partizipation des Adels an der Königsherrschaft, wie
sie sich seit dem 9. und verstärkt dann im 10. Jahrhundert etabliert hatten, und er ist
gleichfalls ein gutes exemplum für die Tätigkeitsfelder und die Wirkung jener
schon angesprochenen Netzwerke aus Verwandten und Freunden, die ihren Ein-
fluß im politischen Kräftefeld geltend machten V
Mit den skizzierten und weiteren Gewohnheiten des Agierens in Konflikten
soll nun das entsprechende Handeln Heinrichs II. verglichen werden. Unüberseh-
bar ist, daß er in ungewöhnlich viele Auseinandersetzungen selbst verwickelt war,
überdies in viele andere eingriff. Dieser Eindruck mag zum Teil daraus resultieren,
daß mit Thietmar von Merseburg ein Chronist das herrscherliche Handeln Hein-
richs II. in minutiöser Weise beobachtet - dies ist für die verglichenen Könige nicht
graiiam regis et saa omnia cam magna pecania et predio in Sontersieuo et in Vodenesuege iacenti
ao?aisiuii; vgl. dazu auch KARL}. ÜEYSER, Rule and Conflict in an Early Medieval Society. Otto-
nian Saxony, London 1979; dtsch.: Herrschaft und Konflikt. König und Adel im ottonischen
Sachsen (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 76), Göttingen 1984,
bes. S. 68 ff.
18 Annalista Saxo, hg. von GEORG WAiiz, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 542-777, ad. a. 977, S.627:
Lofdarins comes senior de Waidide, posh?aa?n Oftonem inperatorem, Mt predictam esf, conafas esf occide-
re, capfas et in Baioariam missns, Berfcido comifi conmiffifar; deinde recepfas in grafian: cesaris, eiden:
Berfoido/diam Eüaw coniagem dedif, ^aegenaif ei danc Heinricam; s. dazu auch UHLIRZ, Jahrbücher
des Deutschen Reiches unter Otto 11. und Otto 111. (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 52; LEYSER, Herrschaft
und Konflikt (wie Anm. 17), S. 78.
19 Vgl. dazu allgemein GERD ALTHOFF, Verwandte, Freunde und Getreue (wie Anm. 10); sowie
HAGEN KELLER, Reichsorganisation, Herrschaftsformen und Gesellschaftsstrukturen im Regnum
Teutonicum, in: 11 secolo di ferro: Mito e realtä del secolo X (Settimane di Studio del Centro Ita-
liano di Studi sull'alto Medioevo 38/1), Spoleto 1991, S. 159-195, bes. S. 174ff.
Gerd Althoff
Geschichte handelt von dem Konflikt im Jahre 941, als Ottos Bruder Heinrich und
eine Reihe sächsischer Großer geplant haben sollen, den Herrscher zu ermorden.
Einige derer, die man gefangennehmen konnte, waren hingerichtet worden; Hein-
rich selbst jedoch hatte nach einer die Verzeihung seines Bruders gefunden.
Auch den Walbecker Grafen schützte zunächst die Fürsprache anderer Großer,
dann aber erhielt er nicht nur alles zurück, was er verloren hatte, sondern er wurde
darüber hinaus reich beschenkt. Thietmar scheint den Zeitraum der Gefangen-
schaft als überaus lang einzuschätzen. Daß diese Gefangenschaft wohl keine sehr
strenge war, zeigt im übrigen die Tatsache, daß der Gefangene später seine Tochter
mit seinem Wächter verheiratete
In dieser Schilderung finden sich strukturelle Merkmale, die in anderen Kon-
flikten des 10. Jahrhunderts wiederkehren. Je höher der Rang des Gegners, desto
geschützter war er vor negativen Folgen seines Tuns. Vasallen wurden nicht nur in
diesem Beispiel hingerichtet, Rädelsführer dagegen zu mehr oder weniger symbo-
lischen Genugtuungsleistungen genötigt, ehe sie wieder voll in ihre frühere Stel-
lung reintegriert wurden. Um die Wiedererlangung der königlichen Huld auch de-
monstrativ zum Ausdruck zu bringen, wurden sie mit zusätzlichen Geschenken
überhäuft. Diese bevorzugte Stellung und Behandlung resultiert, wie Thietmar un-
mißverständlich zum Ausdruck bringt, aus der Solidarität ihrer Standesgenossen,
an deren Meinung der König nicht Vorbeigehen konnte, wenn er nicht weitere Kon-
flikte provozieren wollte. Der Fall ist mit anderen Worten ein Paradebeispiel für
Formen und Wirkungen der Partizipation des Adels an der Königsherrschaft, wie
sie sich seit dem 9. und verstärkt dann im 10. Jahrhundert etabliert hatten, und er ist
gleichfalls ein gutes exemplum für die Tätigkeitsfelder und die Wirkung jener
schon angesprochenen Netzwerke aus Verwandten und Freunden, die ihren Ein-
fluß im politischen Kräftefeld geltend machten V
Mit den skizzierten und weiteren Gewohnheiten des Agierens in Konflikten
soll nun das entsprechende Handeln Heinrichs II. verglichen werden. Unüberseh-
bar ist, daß er in ungewöhnlich viele Auseinandersetzungen selbst verwickelt war,
überdies in viele andere eingriff. Dieser Eindruck mag zum Teil daraus resultieren,
daß mit Thietmar von Merseburg ein Chronist das herrscherliche Handeln Hein-
richs II. in minutiöser Weise beobachtet - dies ist für die verglichenen Könige nicht
graiiam regis et saa omnia cam magna pecania et predio in Sontersieuo et in Vodenesuege iacenti
ao?aisiuii; vgl. dazu auch KARL}. ÜEYSER, Rule and Conflict in an Early Medieval Society. Otto-
nian Saxony, London 1979; dtsch.: Herrschaft und Konflikt. König und Adel im ottonischen
Sachsen (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 76), Göttingen 1984,
bes. S. 68 ff.
18 Annalista Saxo, hg. von GEORG WAiiz, MGH SS 6, Hannover 1844, S. 542-777, ad. a. 977, S.627:
Lofdarins comes senior de Waidide, posh?aa?n Oftonem inperatorem, Mt predictam esf, conafas esf occide-
re, capfas et in Baioariam missns, Berfcido comifi conmiffifar; deinde recepfas in grafian: cesaris, eiden:
Berfoido/diam Eüaw coniagem dedif, ^aegenaif ei danc Heinricam; s. dazu auch UHLIRZ, Jahrbücher
des Deutschen Reiches unter Otto 11. und Otto 111. (wie Anm. 15), Bd. 1, S. 52; LEYSER, Herrschaft
und Konflikt (wie Anm. 17), S. 78.
19 Vgl. dazu allgemein GERD ALTHOFF, Verwandte, Freunde und Getreue (wie Anm. 10); sowie
HAGEN KELLER, Reichsorganisation, Herrschaftsformen und Gesellschaftsstrukturen im Regnum
Teutonicum, in: 11 secolo di ferro: Mito e realtä del secolo X (Settimane di Studio del Centro Ita-
liano di Studi sull'alto Medioevo 38/1), Spoleto 1991, S. 159-195, bes. S. 174ff.