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Schneidmüller, Bernd [Hrsg.]; Weinfurter, Stefan [Hrsg.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Otto III. - Heinrich II.: eine Wende? — Mittelalter-Forschungen, Band 1: Sigmaringen, 1997

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Schneidmüller, Bernd; Weinfurter, Stefan: Vorwort
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https://doi.org/10.11588/diglit.25411#0011
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Vorwort

Faszination, Verehrung, Interesse: Solche Schlagworte beschreiben Formen der Er-
innerung an zwei berühmte Kaiser des Mittelalters. In Otto III. und Heinrich II.,
den beiden letzten Herrschern aus dem liudolfingischen Haus an der Wende vom
ersten zum zweiten Jahrtausend, wollten mittelalterliche Geschichtsschreiber und
moderne Historiker unterschiedliche Verwirklichungen des Kaisertums erkennen:
Visionären Universalismus oder pragmatischen Realismus, jugendliche Innovation
oder christliche Amtstradition, schwärmerische Italophilie oder hegemoniale Ost-
politik. So standen sich scheinbar zwei Typen gegenüber: Otto 111., der »Jüngling im
Sternenmantel«, und Heinrich II., der »heilige Kaiser des Mittelalters«. Zu allem
Wissen um die Kontinuitäten im mittelalterlichen Imperium, um die Zwänge der
Reichsintegration und um die Notwendigkeiten der Italienpolitik gesellte sich im
Blick auf Otto III. und Heinrich II. die Frage nach unterschiedlichen Konzeptionen
vom Reich, vom Umgang mit den Heiligen, den Klerikern, den Mönchen, von den
Spielräumen der Politik, von den Möglichkeiten des Individuums. Markieren das
Ende Ottos III. und der Anfang Heinrichs 11. im Jahr 1002 also eine Wende, eine
Wende der Zeiten, eine Wende menschlicher Ausgestaltung von Herrschaft und
eine Wende im Wirkverbund mittelalterlicher Institutionen?
Diese Frage ist häufig gestellt und unterschiedlich diskutiert worden. Die vielen
Antworten spiegeln auf ihre Weise die Faszination der Beschäftigung mit der mit-
telalterlichen Kaisergeschichte, mit der ersten Jahrtausendwende der christlichen
Zeitrechnung, mit der Bedeutung von wechselnden Herrschaftskonzepten oder
Stereotypen, mehr aber noch aktuelle Debatten um die Art, wie wir heute mit einer
fernen Zeit und ihrer Überlieferung in Zeichen, Bildern und Texten umgehen kön-
nen und müssen. Jubiläen wie »1000 Jahre Kaiserkrönung Ottos III.« oder »850 Jahre
Heiligsprechung Heinrichs II.« im Jahr 1996 suggerierten scheinbare Vertrautheit, ja
Aktualität. Dennoch stehen der unbefangenen Wahrnehmung historischer Befunde
der Zeit Ottos III. und Heinrichs II. nicht allein der bloße Abstand von 1000 Jahren,
sondern weit grundsätzlichere methodische Probleme des Umgangs mit Geschich-
te, mit Texten und Symbolen, mit Wirklichkeiten, Erinnerungen und Vorstellungen
entgegen.
Die Frage nach der Wende von 1002 wurde vom 6.-8. Juni 1996 einem mediae-
vistischen Symposion in Bamberg gestellt, einem Erinnerungsort der hochmittel-
alterlichen Königsgeschichte unter anderen wie Quedlinburg, Magdeburg, Rom,
Aachen, Speyer, Merseburg, Königslutter, Braunschweig oder Palermo. Drei Tage
lang wurde über Otto III. und Heinrich II., über Kontinuitäten und Brüche, mehr
aber noch über unsere Wahrnehmungen von mittelalterlichen Wirklichkeiten und
ihrer Inszenierung, von Überlieferungen, Erinnerungen und ihrer Kritik diskutiert.
 
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