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Seibert, Hubertus; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Grafen, Herzöge, Könige: der Aufstieg der frühen Staufer und das Reich (1079 - 1152) — Mittelalter-Forschungen, Band 18: Ostfildern, 2005

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Winterling, Monika,: Zur Darstellung Heinrichs V. und Lothars III. in der deutschen Kaiserchronik des 12. Jahrhunderts
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34732#0419

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Zur Darstellung Heinrichs V. und Lothars III.

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daß dem Dichter wie für den ersten Teil seines Werkes39 auch für die Erzählun-
gen zu den mittelalterlichen Herrschern eine oder mehrere schriftliche Quellen
als Vorlagen dienten, wenngleich diese bisher auch nicht konkret nachgewiesen
werden konnten. Dennoch bleibt die Kaiserchronik nicht nur ein Werk, das
einige inhaltliche Zeugnisse aus einer lateinisch-schriftsprachigen Tradition in
die Volkssprache umsetzte. Denn gerade in der Umsetzung der einzelnen
Inhalte aus der litteralen in eine von Mündlichkeit geprägte Tradition, in der
Umformung der berichteten Ereignisse in eine andere Sprache, die nicht nur
eigenen Regeln folgt, sondern auch unterschiedliche Auffassungen zur Dar-
stellung von Geschichte entfaltet hat, zeigt sich die Besonderheit dieses Wer-
kes. Gleich welche Ereignisse dem Dichter aus einer schriftlichen Quelle Vor-
lagen, unabhängig davon, was er selbst ausgewählt oder mangels Quellen
nicht besser darstellen konnte, was er, gemessen am Maßstab der lateinischen
Quellen >richtig< oder >falsch< wiedergegeben hat, fällt doch seine viel Tebens-
nahere< Darstellungsweise auf. Der Schwerpunkt seiner Erzählungen liegt
epischer Tradition folgend auf den handelnden Personen, privat-persönliche
Gründe wie Haß, Neid und Rache bilden Ausgangspunkt und Motivation des
Geschehens. Die Einordnung in übergeordnete zeitliche Muster unterbleibt,
dafür liegt ein besonderer Akzent auf spektakulärer Handlung und heldenhaf-
ter Tat. Der Dichter der Kaiserchronik konzentriert sich auf das, was unmittel-
bar erfahrbar und erlebbar ist, was mit der eigenen Umgebung und Geschichte
im Zusammenhang steht.
So setzt er in seiner Darstellung der Ereignisse der Vergangenheit eigene
Schwerpunkte, die vor dem Hintergrund der lateinischen Quellen bisweilen
provinziell und auch fehlerhaft erscheinen mögen. Doch bleiben diese Unge-
reimtheiten in der Darstellung nicht bloße Fabeleien eines phantasiereichen
Dichters, sondern lassen sich vor dem Hintergrund der besonderen Entste-
hungsbedingungen des Werkes im Umbruch der Volkssprache von der Münd-
lichkeit zur Schriftlichkeit erklären. Erklärungsbasis bildet somit der orale Tradi-
tionshintergrund des Werkes, der für Teile der Kaiserchronik bereits anhand
konkreter Quellenvorlagen deutlich gemacht werden konnte40 und der auch in
der Darstellung der mittelalterlichen Herrscher, wie anhand der beiden Erzäh-
lungen zu Heinrich V. und Lothar III. kurz ausgeführt wurde, in den verschie-
denen formelhaften Wendungen und Erzählmustern zum Vorschein kommt. So
bleibt die Darstellung der Ereignisse der Vergangenheit in der Kaiserchronik
nicht nur eine Ansammlung seltsamer und bisweilen befremdlicher Anekdoten,
sondern mag darüber hinaus auch den einen oder anderen Einblick in die Zeit
der Entstehung des Werkes und ihr Umfeld geben.
Als erste deutsche Reimchronik bleibt die Kaiserchronik, wie jedes historio-
graphische Werk, eng mit ihrem zeitgenössischen Hintergrund verflochten.

39 Für den ersten Teil des Werkes konnte diese, wie bereits erwähnt, durch OHLY, Sage und Le-
gende (wie Anm. 5), nachgewiesen werden.
40 OHLY, Sage und Legende (wie Anm. 5), MOHR, Lucretia (wie Anm. 10) und HELLGARDT, Diet-
rich von Bern (wie Anm. 10).
 
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