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Monika Winterling
taucht mehrmals auch in anderen Erzählungen der Kaiserchronik auf37 und
folgt, gleich zu welcher Zeit und unter welchem Herrscher es eingesetzt wird,
stets demselben Muster: Ein Territorialherrscher erhebt sich gegen den amtie-
renden und legitimen König, woraufhin - als Zeichen der Unrechtmäßigkeit
seiner Handlungsweise - Not in Form von Plünderungen, Brandschatzungen
und Hungersnöten über das Land hereinbricht. Zum Schutz von Land und
Volk ergreift der König die Gegenwehr und tritt dem Aufrührer mit Heeres-
macht entgegen. Meist aber gelingt diese Gegenwehr noch nicht beim ersten
Mal, die Lage verschlimmert sich zunächst noch einmal durch entsprechende
Aktionen des Empörers. Letztlich aber gewinnt der König die Oberhand, kann
die Aufrührer besiegen und damit die Ordnung im Reich wiederherstellen.
Dieses Handlungsschema taucht nicht nur als wiederkehrendes Element ora-
ler Erzähltechnik in der Darstellung der Kaiserchronik auf, sondern findet sich
darüber hinaus auch in anderen Formen volkssprachiger Dichtung als soge-
nannte Empörergesten im Rahmen der französischen Chanson de geste38. So-
mit greift der Dichter mit dieser erzählerischen Einrahmung der Ereignisse um
die Auseinandersetzung Lothars mit den beiden staufischen Brüdern ein weit
verbreitetes und damit auch seinem Publikum wohl bekanntes Erzählschema
oraler Tradition auf, das vor allem auch hinsichtlich der handelnden Protago-
nisten eindeutig konnotiert war. Ohne die reichspolitischen Hintergründe zu
erwähnen, erreicht der Dichter eine eindeutige Parteinahme zugunsten Lo-
thars gegen die Stauferbrüder, die zusätzlich dadurch noch hervorgehoben
wird, daß dem mutwilligen Zerstörungswillen der Staufer die Untadeligkeit
Lothars entgegengestellt wird, der sich zunächst nicht mit Waffengewalt, son-
dern im Gebet der beiden Aufrührer zu erwehren versucht.
So erzählt der Dichter auch in seiner Geschichte zu Lothar III. die Ereignis-
se inhaltlich weitgehend so, wie sie auch aus den lateinischen Quellen bekannt
sind. Betrachtet man hingegen die Art und Weise der Wiedergabe der Ereig-
nisse, so wird der orale Traditionshintergrund des Werkes deutlich. So erhal-
ten die historischen Ereignisse auch hier durch den Einsatz von Elementen der
oralen Tradition ihre ganz eigene Wertung.
Die inhaltliche Nähe der angeführten Erzählungen der Kaiserchronik zu
den Berichten aus den lateinischen Quellen läßt die Vermutung nahe liegen,
37 Verwendet wird hier das Handlungsschema >Erhebung gegen den Herrschen (vgl. Anm. 14),
das in ganz ähnlicher Weise auch im Zusammenhang anderer Herrschererzählungen auftaucht,
wie u. a. bei Lothar I. (w 15244—15303), Otto I. (w 15860-15921) und Konrad II. (w 16258-16276).
38 Als die drei Themenkreise der Chanson de geste gelten die Karls- oder Königsgeste, die Empörer-
geste sowie die Wilhelmsgeste vgl. W.-D. LANGE, Art. Chanson de geste, in: Lexikon des Mittel-
alters II, München 1983, Sp. 1703-1707. Allgemeiner zu Motivparallelen zwischen Chanson de
geste und deutschem Heldenepos vgl. HERMANN SCHNEIDER, Deutsche und französische Helden-
epik, in: DERS., Kleinere Schriften zur germanischen Heldensage und Literatur des Mittelalters,
hg. von Kurt HERBERT Halbach/Wolfgang Mohr (Kleinere Schriften zur Literatur- und
Geistesgeschichte), Berlin 1962, S. 52-95 und FRIEDRICH WOLFZETTEL, Traditionalismus innova-
tiv: zu neueren Tendenzen der romanistischen Chanson de geste-Forschung, in: Chanson de
geste in Deutschland. Schweinfurter Kolloquium 1988, hg. von JOACHIM HEINZLE/L- PETER
Johnson/Gisela VOLLMANN-Profe (Wolfram-Studien 11), Berlin 1989, S. 9-31.
Monika Winterling
taucht mehrmals auch in anderen Erzählungen der Kaiserchronik auf37 und
folgt, gleich zu welcher Zeit und unter welchem Herrscher es eingesetzt wird,
stets demselben Muster: Ein Territorialherrscher erhebt sich gegen den amtie-
renden und legitimen König, woraufhin - als Zeichen der Unrechtmäßigkeit
seiner Handlungsweise - Not in Form von Plünderungen, Brandschatzungen
und Hungersnöten über das Land hereinbricht. Zum Schutz von Land und
Volk ergreift der König die Gegenwehr und tritt dem Aufrührer mit Heeres-
macht entgegen. Meist aber gelingt diese Gegenwehr noch nicht beim ersten
Mal, die Lage verschlimmert sich zunächst noch einmal durch entsprechende
Aktionen des Empörers. Letztlich aber gewinnt der König die Oberhand, kann
die Aufrührer besiegen und damit die Ordnung im Reich wiederherstellen.
Dieses Handlungsschema taucht nicht nur als wiederkehrendes Element ora-
ler Erzähltechnik in der Darstellung der Kaiserchronik auf, sondern findet sich
darüber hinaus auch in anderen Formen volkssprachiger Dichtung als soge-
nannte Empörergesten im Rahmen der französischen Chanson de geste38. So-
mit greift der Dichter mit dieser erzählerischen Einrahmung der Ereignisse um
die Auseinandersetzung Lothars mit den beiden staufischen Brüdern ein weit
verbreitetes und damit auch seinem Publikum wohl bekanntes Erzählschema
oraler Tradition auf, das vor allem auch hinsichtlich der handelnden Protago-
nisten eindeutig konnotiert war. Ohne die reichspolitischen Hintergründe zu
erwähnen, erreicht der Dichter eine eindeutige Parteinahme zugunsten Lo-
thars gegen die Stauferbrüder, die zusätzlich dadurch noch hervorgehoben
wird, daß dem mutwilligen Zerstörungswillen der Staufer die Untadeligkeit
Lothars entgegengestellt wird, der sich zunächst nicht mit Waffengewalt, son-
dern im Gebet der beiden Aufrührer zu erwehren versucht.
So erzählt der Dichter auch in seiner Geschichte zu Lothar III. die Ereignis-
se inhaltlich weitgehend so, wie sie auch aus den lateinischen Quellen bekannt
sind. Betrachtet man hingegen die Art und Weise der Wiedergabe der Ereig-
nisse, so wird der orale Traditionshintergrund des Werkes deutlich. So erhal-
ten die historischen Ereignisse auch hier durch den Einsatz von Elementen der
oralen Tradition ihre ganz eigene Wertung.
Die inhaltliche Nähe der angeführten Erzählungen der Kaiserchronik zu
den Berichten aus den lateinischen Quellen läßt die Vermutung nahe liegen,
37 Verwendet wird hier das Handlungsschema >Erhebung gegen den Herrschen (vgl. Anm. 14),
das in ganz ähnlicher Weise auch im Zusammenhang anderer Herrschererzählungen auftaucht,
wie u. a. bei Lothar I. (w 15244—15303), Otto I. (w 15860-15921) und Konrad II. (w 16258-16276).
38 Als die drei Themenkreise der Chanson de geste gelten die Karls- oder Königsgeste, die Empörer-
geste sowie die Wilhelmsgeste vgl. W.-D. LANGE, Art. Chanson de geste, in: Lexikon des Mittel-
alters II, München 1983, Sp. 1703-1707. Allgemeiner zu Motivparallelen zwischen Chanson de
geste und deutschem Heldenepos vgl. HERMANN SCHNEIDER, Deutsche und französische Helden-
epik, in: DERS., Kleinere Schriften zur germanischen Heldensage und Literatur des Mittelalters,
hg. von Kurt HERBERT Halbach/Wolfgang Mohr (Kleinere Schriften zur Literatur- und
Geistesgeschichte), Berlin 1962, S. 52-95 und FRIEDRICH WOLFZETTEL, Traditionalismus innova-
tiv: zu neueren Tendenzen der romanistischen Chanson de geste-Forschung, in: Chanson de
geste in Deutschland. Schweinfurter Kolloquium 1988, hg. von JOACHIM HEINZLE/L- PETER
Johnson/Gisela VOLLMANN-Profe (Wolfram-Studien 11), Berlin 1989, S. 9-31.