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Kaufhold, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0026
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22

Kapitel 1

ihrer Untertanen und ihres Hofes, und im Falle der englischen Könige blieb es
nicht beim Unmut, vielmehr gipfelte die Unzufriedenheit in der Absetzung und
Tötung der betroffenen Könige (Edward II. 1327, Richard II. 1399).^ Eine solche
Erfahrung war für die römisch-deutschen Könige des späten Mittelalters eine
Ausnahme. Der englische König und der Papst konnten von einem Amtsapparat
profitieren, der ihnen in ganz anderer Weise eine zentrale Rolle in ihrem König-
reich und in der Kirche einräumte, als dies bei dem römisch-deutschen König der
Fall war. Diese slrM/hMm/ie deren Wirkungsgrad allerdings immer
noch erheblich von der persönlichen Befähigung der einzelnen Amtsträger abhing,
verlieh etwa dem englischen König allein durch das Amt eine exponierte Stellung,
die der römisch-deutsche König durch großen persönlichen Einsatz erst erlangen
musste.^
Doch diese herausgehobene Stellung des englischen Königs hatte auch zur
Folge, dass mögliche Schwächen seiner Amtsführung ebenfalls in grellerem Licht
begutachtet wurden, und diese Position unter besonderer Beobachtung hat zu-
mindest zwei englische Könige das Leben gekostet (Edward II. (1307-1327) und
Richard II. (1377-1399)) und zwei weiteren die Herrschaft sehr erschwert (Johann
Ohneland (1199-1216) und Heinrich III. (1216-1272))ü Im römisch-deutschen
Reich kam es nicht dazu, dass ein abgesetzter und gefangener König getötet wur-
de; in dem einen Fall, in dem ein abgesetzter König sein Leben verlor, starb er auf
dem Schlachtfeld: Adolf von Nassau in der Schlacht bei Göllheim im Juni oder Juli
1298T Im Reich wurden Königsherrschaften dadurch in Frage gestellt, dass die
„Opposition" eigene Könige wählte und krönte, je nach Standpunkt waren dies
Otto IV. (1198-1218) oder Philipp von Schwaben (1198-1208), Heinrich Raspe
(1246-1247) und Wilhelm von Holland (1247-1256), Richard von Cornwall
(1257-1272) oder Alfons von Kastilien (1257-1275), Albrecht I. (1298-1308), Ludwig
der Bayer (1314-1347) oder Friedrich der Schöne (1314-1330), Karl IV. (1346-1378)

3 Diese Geschehnisse werden im weiteren Verlauf dieser Untersuchung eingehender vorge-
stellt.
4 Vgl. dazu etwa P. MORAW, Der „kleine König" im europäischen Vergleich, in: Rudolf von
Habsburg (1273-1291). Eine Königsherrschaft zwischen Tradition und Wandel (Passauer his-
torische Forschungen 7), hg. von E. Boshof/F.-.R Erkens, Köln 1993, S. 185-208; DERS., Über
Entwicklungsunterschiede und Entwicklungsausgleich im deutschen und europäischen Mit-
telalter, in: Hochfinanz, Wirtschaftsräume, Innovationen. Festschrift für Wolfgang von Stro-
mer, Bd. 2, hg. von Uwe Bestmann/Franz Irsigler, Trier 1987, S. 583-622; jetzt auch in: P. MO-
RAW, Über König und Reich. Aufsätze zur deutschen Verfassungsgeschichte des späten
Mittelalters, hg. von R. C. Schwinges, Sigmaringen 1995, S. 293-320.
5 Die Erfahrungen dieser Könige werden im weiteren Verlauf der Untersuchung noch einge-
hend dar gestellt.
6 Zur Schlacht bei Göllheim vgl. Regesta Imperii VI,2. Regesten des Kaiserreichs unter Rudolf,
Adolf, Albrecht, Heinrich VII., 1273-1313, hg. von V. Samanek, Innsbruck 1948, Nr. 1002; zu
Adolf von Nassau vgl. Ch. REINLE, Adolf von Nassau, in: Die deutschen Herrscher des Mit-
telalters, hg. von Schneidmüller/Weinfurter, S. 360-371.
 
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