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Kaufhold, Martin; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

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https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0028
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24

Kapitel 1

rurtg, wenn auch ausdrücklicher beschlossen und umfassender bezeugt, lässt sich
bei der Entwicklung des Papstwahlverfahrens beobachten, in dessen Verlauf das
Kardinalskollegium als Wählergremium Gestalt annahm." Die Ausbildung des
Verfahrens und die Formierung des Kardinalskollegs vollzog sich in einem ande-
ren Rhythmus als die Ausbildung des deutschen Königswahlverfahrens, aber doch
nicht nach völlig verschiedenen Gesetzen.^ In der späten Stauferzeit, in der diese
Untersuchung einsetzt, waren Kaisertum und Papsttum durchaus ebenbürtige
historische Größen, aufgrund der energischen Italienpolitik der Kaiser standen sie
in regelmäßigem politischen Kontakt, und die deutsche Königswahl galt selbstver-
ständlich als eine Wahl zum römischen Kaiser. Als Innozenz IV. den letzten Stau-
ferkaiser Friedrich II. am 17. Juli 1245 auf dem Konzil von Fyon absetzte, da for-
derte er im letzten Satz der Absetzungsurkunde die deutschen Wahlfürsten auf,
nun in freier Wahl zur Bestimmung eines neuen Kaisers zu schreiten: Piz' anfgm,
ipz/Hzs 777 eodc??? z'mpgrz'o zzzzpeuüoTis spccüü glectz'c, cizyazzi iz'&grg SMCcessomm." Die enge
Verbindung von Königswahl und Kaisertum begründete letztlich das besondere
Interesse der Kurie an dem deutschen Wahlverfahren, von dem in diesem Kapitel
die Rede sein wird.
So deutlich die Entwicklungstendenzen im historischen Blick hervortreten, so
müssen wir uns doch immer wieder vergegenwärtigen, wie allmählich sich diese
Entwicklung im Bewusstsein und in der Realität der Zeitgenossen vollzog. Die
erste Königswahl, deren Verlauf uns so genau überliefert ist, dass wir einzelne
Schritte des Vorgangs unterscheiden können, ist die Wahl des ersten Saliers, Kon-
rads II., in Kamba am 4. September 1024.^ Auch wenn die Schilderung der Wahl
das Misstrauen der Historiker erweckt, weil der Verlauf offenbar aus der Perspek-
tive des erfolgreichen Konrad harmonisiert wurde, ^ so bleibt der zeitgenössische

11 Zum Papstwahlverfahren und zur Rolle des Kardinalskollegiums, auf die noch einzugehen
sein wird, vgl. für einen ersten Überblick: H. E. FEINE, Kirchliche Rechtsgeschichte. Die ka-
tholische Kirche, 5. Aufl. Köln/Wien 1972, S. 311-321; vgl. außerdem: L. GAUGUSCH, Das
Rechtsinstitut der Papstwahl. Eine historisch-kanonistische Studie, Wien 1905; T. KÜPPER,
Das Papstwahlrecht der Kardinalbischöfe und die Papstwahl in der Zeit von 1059 bis 1179,
Diss. masch. Innsbruck 1958; B. SCHIMMELPFENNIG, Papst- und Bischofswahlen seit dem
12. Jahrhundert, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter (Vorträge und Forschungen 37), hg.
von R. Schneider/El. Zimmermann, Sigmaringen 1990, S. 173-195; P. HERDE, Die Entwicklung
der Papstwahl im dreizehnten Jahrhundert. Praxis und kanonistische Grundlagen, in: Öster-
reichisches Archiv für Kirchenrecht 32 (1981), S. 11M1.
12 Vgl. zum Wahlthema allgemein: W. MALECZEK, Abstimmungsarten: Wie kommt man zu
einem vernünftigen Wahlergebnis?, in: Wahlen und Wählen im Mittelalter, hg. von Schnei-
der/Zimmermann, S. 79-134, sowie die verschiedenen anderen Beiträge in diesem Band.
13 Absetzungsurkunde Friedrichs II.: MGH Epistolae saeculi XIII e Regestis Pontificum Roma-
norum selectae, Bd. 2, hg. von C. Rodenberg, Berlin 1887, Nr. 124.
14 Vgl. zur Wahl Konrads 11.: Wipo, Gesta Chuonradi, Kap. 2, ed. Bresslau, S. 13-20; S. WEIN-
FURTER, Das Jahrhundert der Salier (1024-1125), 2. Aufl. Ostfildern 2004, S. 25-32; zu Kon-
rad II. vgl. H. WOLFRAM, Konrad II. Herrscher dreier Reiche, München 2000.
15 Vgl. z.B. H. WOLFRAM, Konrad II., in: Die deutschen Herrscher des Mittelalters, hg. von
SchneidmüHer/Weinfurter, S. 119-135, hier S. 125f.
 
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