Institutionelle Formierung im Zeichen des Triumphes
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le/ In der Sphäre der Herrschaft und des kirchlichen Rechts waren die päpstlichen
Entscheidungen maßgeblich. Der Kaiser mußte dagegen berücksichtigen, dass
seine Untertanen nach verschiedenen mündlich tradierten Rechtstraditionen leb-
ten, denen sie eine hohe Verbindlichkeit beimaßen und dass sie in vielen Fällen gar
nicht in der Lage waren, die eindrucksvollen Texte seiner Kanzlei zu lesenT Das
Verfahren der Absetzung Friedrichs IL auf dem Konzil von Lyon 1245 gibt einen
wichtigen Hinweis auf die Bedeutung der schriftlichen Rechtsüberlieferung für die
Ebene der höchsten Herrscherämter. Es ist eine Bedeutung, die diese Schrifttradi-
tion in den hier behandelten Königreichen während des 13. Jahrhunderts nicht
erlangte, weil in der Praxis königlicher Herrschaft der Adel eine zentrale Rolle
spielte und der auf einer eigenen Rechtstradition bestand7 In Lyon spielte dieses
Herrschaftsverständnis keine Rolle. Auf dem Konzil verhandelte man nach „mo-
dernen" Regeln. Das bedeutete, Innozenz IV. war darum bemüht, im formalen
Vorgang ein Höchstmaß an Legitimität zu erreichen. Das bedeutete nicht, dass er
allgemeine Akzeptanz erlangte. Vielmehr war das Urteil durchaus umstritten, oder
es wurde ignoriertA Doch setzte das päpstliche Vorgehen einen Standard, dessen
Wirkung sich Thaddäus von Suessa nicht ganz entziehen konnte - der dem Papst
wohlvorbereitet entgegentrat, obwohl er die Zuständigkeit dieses nach seiner
Meinung nicht allgemeinen Konzils in Frage stellte.^ Die Absetzung eines Kaisers
oder eines Königs war in jedem Fall ein heikler Vorgang, gegen den sich Friedrich
mit guten Argumenten zur Wehr setzte W Innozenz IV. ließ in seinem Vorgehen
keinerlei Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens, seine Selbstgewißheit
7 Vgl. dazu unten.
8 Diese Feststellung gehört ja zu den wesentlichen Aussagen dieser Untersuchung und sie
wird von Friedrich II. in der Präambel zum Mainzer Reichslandfrieden ausdrücklich formu-
liert: MGH Constitutiones, Bd. 2, ed. Weiland, Nr. 196, S. 241 (... hcef per tofar?! Germania??!
co??sh!Mh' uiuanf m caasis et !?egociis pnhaforM??? co?rsMetMd:'??!'&MS awh'tyaÜMS fradih's et iare non
scripfo ...).
9 Vgl. dazu das vorangehende Kapitel; vgl. allgemeiner zum König und Adel in der Herr-
schaftskonstellation des 13. Jahrhunderts: KAUFHOLD, Deutsches Interregnum, S. 98-135 (mit
weiterführender Literatur).
10 Zur Absetzung vgl. O. HAGENEDER, Das päpstliche Recht der Fürstenabsetzung. Seine kano-
nistische Grundlegung, in: Archivum Historiae Pontificiae 1 (1963), S. 53-95; KEMPF, Die Ab-
setzung Friedrichs 11. im Lichte der Kanonistik.
11 Brevis Nota (MGH Constitutiones, Bd. 2, ed. Weiland, S. 516): Tnnc sturexif Index TTaJens
perdpiens, <?Mod ia?n secnris erat posifa ad radicem, pro mnForn?n priuüegiorn?n antenh'cnh'one, et si
contra predicfn?n i?nperafore?n oedet procedere, appedabat ad Jntnrnm ponfi/?'ce?n et concdin?n genera-
le. Ad ??ne donnnns papa respondit dn?niiifer et benigne, <?nod erat conc?7in?n generale, ^nia ta??? prin-
cipes secniares <?na?n ecclesiastici ad illnd Jnerant inoitati ... Vgl. zu der Appellation an den zu-
künftigen Papst und das allgemeine Konzil auch: H. J. BECKER, Die Appellation vom Papst
an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten
Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und
zum Kirchenrecht 17), Köln/Wien 1988, S. 38-47.
U Vgl. Friedrichs Rundschreiben an die europäischen Könige und Fürsten: MGH Constitutio-
nes, Bd. 2, ed. Weiland, Nr. 262. Vgl. zur Problematik der Herrscherabsetzung auch:
E. SCHUBERT, Königsabsetzung im deutschen Mittelalter. Eine Studie zum Werden der
Reichsverfassung (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philolo-
gisch-Historische Klasse 267), Göttingen 2005, S. 11-98.
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le/ In der Sphäre der Herrschaft und des kirchlichen Rechts waren die päpstlichen
Entscheidungen maßgeblich. Der Kaiser mußte dagegen berücksichtigen, dass
seine Untertanen nach verschiedenen mündlich tradierten Rechtstraditionen leb-
ten, denen sie eine hohe Verbindlichkeit beimaßen und dass sie in vielen Fällen gar
nicht in der Lage waren, die eindrucksvollen Texte seiner Kanzlei zu lesenT Das
Verfahren der Absetzung Friedrichs IL auf dem Konzil von Lyon 1245 gibt einen
wichtigen Hinweis auf die Bedeutung der schriftlichen Rechtsüberlieferung für die
Ebene der höchsten Herrscherämter. Es ist eine Bedeutung, die diese Schrifttradi-
tion in den hier behandelten Königreichen während des 13. Jahrhunderts nicht
erlangte, weil in der Praxis königlicher Herrschaft der Adel eine zentrale Rolle
spielte und der auf einer eigenen Rechtstradition bestand7 In Lyon spielte dieses
Herrschaftsverständnis keine Rolle. Auf dem Konzil verhandelte man nach „mo-
dernen" Regeln. Das bedeutete, Innozenz IV. war darum bemüht, im formalen
Vorgang ein Höchstmaß an Legitimität zu erreichen. Das bedeutete nicht, dass er
allgemeine Akzeptanz erlangte. Vielmehr war das Urteil durchaus umstritten, oder
es wurde ignoriertA Doch setzte das päpstliche Vorgehen einen Standard, dessen
Wirkung sich Thaddäus von Suessa nicht ganz entziehen konnte - der dem Papst
wohlvorbereitet entgegentrat, obwohl er die Zuständigkeit dieses nach seiner
Meinung nicht allgemeinen Konzils in Frage stellte.^ Die Absetzung eines Kaisers
oder eines Königs war in jedem Fall ein heikler Vorgang, gegen den sich Friedrich
mit guten Argumenten zur Wehr setzte W Innozenz IV. ließ in seinem Vorgehen
keinerlei Zweifel an der Rechtmäßigkeit seines Vorgehens, seine Selbstgewißheit
7 Vgl. dazu unten.
8 Diese Feststellung gehört ja zu den wesentlichen Aussagen dieser Untersuchung und sie
wird von Friedrich II. in der Präambel zum Mainzer Reichslandfrieden ausdrücklich formu-
liert: MGH Constitutiones, Bd. 2, ed. Weiland, Nr. 196, S. 241 (... hcef per tofar?! Germania??!
co??sh!Mh' uiuanf m caasis et !?egociis pnhaforM??? co?rsMetMd:'??!'&MS awh'tyaÜMS fradih's et iare non
scripfo ...).
9 Vgl. dazu das vorangehende Kapitel; vgl. allgemeiner zum König und Adel in der Herr-
schaftskonstellation des 13. Jahrhunderts: KAUFHOLD, Deutsches Interregnum, S. 98-135 (mit
weiterführender Literatur).
10 Zur Absetzung vgl. O. HAGENEDER, Das päpstliche Recht der Fürstenabsetzung. Seine kano-
nistische Grundlegung, in: Archivum Historiae Pontificiae 1 (1963), S. 53-95; KEMPF, Die Ab-
setzung Friedrichs 11. im Lichte der Kanonistik.
11 Brevis Nota (MGH Constitutiones, Bd. 2, ed. Weiland, S. 516): Tnnc sturexif Index TTaJens
perdpiens, <?Mod ia?n secnris erat posifa ad radicem, pro mnForn?n priuüegiorn?n antenh'cnh'one, et si
contra predicfn?n i?nperafore?n oedet procedere, appedabat ad Jntnrnm ponfi/?'ce?n et concdin?n genera-
le. Ad ??ne donnnns papa respondit dn?niiifer et benigne, <?nod erat conc?7in?n generale, ^nia ta??? prin-
cipes secniares <?na?n ecclesiastici ad illnd Jnerant inoitati ... Vgl. zu der Appellation an den zu-
künftigen Papst und das allgemeine Konzil auch: H. J. BECKER, Die Appellation vom Papst
an ein allgemeines Konzil. Historische Entwicklung und kanonistische Diskussion im späten
Mittelalter und in der frühen Neuzeit (Forschungen zur kirchlichen Rechtsgeschichte und
zum Kirchenrecht 17), Köln/Wien 1988, S. 38-47.
U Vgl. Friedrichs Rundschreiben an die europäischen Könige und Fürsten: MGH Constitutio-
nes, Bd. 2, ed. Weiland, Nr. 262. Vgl. zur Problematik der Herrscherabsetzung auch:
E. SCHUBERT, Königsabsetzung im deutschen Mittelalter. Eine Studie zum Werden der
Reichsverfassung (Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philolo-
gisch-Historische Klasse 267), Göttingen 2005, S. 11-98.