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Kaufhold, Martin; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Rhythmen politischer Reform im späten Mittelalter: institutioneller Wandel in Deutschland, England und an der Kurie 1198 - 1400 im Vergleich — Mittelalter-Forschungen, Band 23: Ostfildern, 2008

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34739#0169
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Institutioneile Formierung im Zeichen des Triumphes

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die er in seiner Amtszeit an sich zog und die für die Kanonisten zum Leitfaden
ihrer allmählich voranschreitenden Theoriebildung wurden.^ Der Ez'&gr Extra Gre-
gors IX. zitiert zu fast allen Titeln, und insbesondere zu den bedeutenden Fragen
der kirchlichen Organisation, Rechtsentscheidungen Innozenz' 111.^ Seine be-
stimmende Rolle im innerkirchlichen Reformprozeß wurde durch die Wirkung
des IV. Laterankonzils und seiner Kanones noch verstärkt.^ Rowanas ponft/äx, tyaz
non pari ftoznz'nz's, sgä oorz Doz' oz'conz ^erz'f in ferrz's - dieses Selbstverständnis Inno-
zenz' III. zeigte nachhaltige Wirkung.^' Die Systematisierung päpstlicher Rechts-
entscheidungen im EzEer Extra Gregors IX. verschaffte den Dekretalen Innozenz'
III. noch eine deutlich erweiterte Öffentlichkeit und beförderte den zentralistischen
Anspruch des päpstlichen Amtes, bis es unter Innozenz IV. einen vorläufigen Hö-
hepunkt erreichte. Innozenz III. hatte seine herausgehobene Stellung aus dem
exklusiven Auftrag abgeleitet, den Christus dem Petrus erteilt habe, bei Innozenz
IV. wird diese Einsetzung eines irdischen Stellvertreters in den Rang einer Not-
wendigkeit erhoben, der sich auch Gott selbst nicht mehr ohne Gesichtsverlust
entziehen konnte: Doaa er roa'rg nz'cbf als gz'ti besonnener Herr erschienen, azn znz'f Ehr-
/archf oor zTznz za re&n, hälfe er nz'chf nach sich einen solch einzigartigen Sfelioerfrefer
ZMrizckgglassgM, der dies alles könnte.^
Hf canz rgpgrgrzcz'a eias loz^aar, wer in einem juristischen Kommentar so von
Gott sprach, der ging davon aus, dass die Fachleute des Kirchenrechts an solchen
Formulierungen keinen ungebührlichen Anstoß nehmen würden. Und tatsächlich
durfte der Papst in seinem zentralistischen Anspruch auf weitgehende Unterstüt-
zung bei den Fachleuten des Kirchenrechts rechnen.^ Aber auch unter den Theo-
logen fand der so entschieden formulierte päpstliche Führungsanspruch energi-
sche Befürworter. Innerkirchlich beruhte die herausgehobene Stellung des
römischen Bischofs gegenüber den anderen Prälaten der Christenheit auf der Fest-
stellung, dass allein der Nachfolger des Petrus einen umfassenden göttlichen Auf-
trag für die Seelsorge erhalten hatte, während die übrigen Bischöfe keine gleich-
wertige Beauftragung beanspruchen konnten: alz'z z'n porfezn sollz'cz'fnäz'nz's, tu z'n
pienz'fnäz'nenz pofgsfafgzzi ooenfns es, so hatte Bernhard von Clairvaux die unter-
schiedlichen Kompetenzen und Verantwortlichkeiten prägnant unterschieden.^

28 Vg}. ebda, S. 33, 58, 190; zur Theoriebildung über die päpstliche Amtsgewalt vgl. besonders
MlETHKE, Geschichtsprozeß und zeitgenössisches Bewußtsein; DERS., De Postestate Papae.
29 Vgl. Corpus Iuris Canonici, Bd. 2: Decretalium Collectiones, hg. von E. Friedberg, Leipzig
1881.
30 Vgl. zum IV. Laterankonzil oben Kapitel 2 mit Anm. 1 und 2 zur Edition der Kanones und zu
ihrer Rezeption.
31 Das Zitat stammt aus der Compilatio tertia, 1.5.3, hier zitiert nach PENNINGTON, Pope and
Bishops, S. 16, Anm. 11.
32 Innocentius IV, Apparatus in V libros decretalium, hg. von Petrus Vendramenus, Frankfurt
1570,11.27.27 s. v. Pnuanuzs.
33 Vgl. oben Anm. 26.
34 De consäterah'one II. VIII, 16 in: S. Bernardi opera, Bd. 3: Tractatus et opuscula, hg. von
J. Leclercq, Rom 1963, S. 379-493, 424; vgl. zur Geschichte dieser Formel auch J. RIVIERE, In
partem sollicitudinis. Evolution d une formule pontificale, in: Revue des Sciences Religieu-
se 5 (1925), S. 210-235; SCHATZ, Papsttum und partikularkirchliche Gewalt.
 
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