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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Dendorfer, Jürgen [Bearb.]
Das Lehnswesen im Hochmittelalter: Forschungskonstrukte - Quellenbefunde - Deutungsrelevanz — Mittelalter-Forschungen, Band 34: Ostfildern, 2010

DOI Artikel:
Kortüm, Hans-Henning,: Mittelalterliche Verfassungsgeschichte im Bann der Rechtsgeschichte zwischen den Kriegen – Heinrich Mitteis und Otto Brunner
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https://doi.org/10.11588/diglit.34751#0059

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Hans-Henning Kortüm

oder sagen wir es lieber historisch präzise: der Gang ins Konzentrationslager -
erspart. Nicht erspart blieb ihm hingegen die Suspension von allen akademischen
Ämtern, die unmittelbar nach der sogenannten »Wiedervereinigung« von
Österreich mit Deutschland am 14. März 1938 ausgesprochen worden war und
mit Mitteis noch zwölf weitere etatmäßige Professoren von insgesamt 19 der
Juristischen Fakultät betroffen hatte* * 3. Auch wenn Mitteis nicht mehr lehren
durfte, so konnte er sich doch noch frei bewegen. Allen existenziellen Ängsten
zum Trotz konnte er die Zeit nutzen, um sein Buch über den Staat des Hohen
Mittelalters in seinem Grainauer Domizil fertigzustellen. Das Vorwort trägt das
Datum »Rostock, im Juli 1940« und verweist damit auf die neue akademische
Wirkungsstätte von Mitteis: Sechs Jahre lang, von Januar 1940 bis März 1946, war
er als Nachfolger von Wilhelm Ebel ordentlicher Professor für Bürgerliches Recht,
Deutsches Privatrecht, Deutsche Rechtsgeschichte und Kirchenrecht an der
Universität Rostock4.
Mitteis hatte seine Berufung an die universitas Rostochiensis immer als eine
»Verbannung« angesehen5. Rostock war, was die Zahl der Professoren anbetraf,
mit 189 die kleinste aller deutschen Universitäten. Dennoch dürften er und seine
Frau froh gewesen sein, dass jetzt die Zeit unmittelbarer Bedrohung erst einmal
vorüber war. Rostock bedeutete zunächst einmal das Ende einer Karriere, die so
glanzvoll 1921 mit dem Kölner Lehrstuhl begonnen und ihn 1924 nach Hei-
delberg geführt hatte. Aber Ende 1933, also im selben Jahr, in dem seine viel
gerühmte Monographie über »Lehnrecht und Staatsgewalt« erscheint, gerät
Mitteis in den Strudel der nationalsozialistischen Hochschulpolitik. Er wird als
Dekan der Juristischen Fakultät Ende 1933 »abgesägt«, so die zynische Be-
schreibung durch den Dekan der Naturwissenschaftlichen Fakultät6. Mitteis hatte
es doch tatsächlich gewagt, für entlassene, zumal auch jüdische Kollegen beim
Rektor der Heidelberger Universität einzutreten und gegen den, wie er es nannte,
»Umsturz der Universitätsverfassung« durch die Nationalsozialisten zu
opponieren. Er muss dafür mit der Suspension von allen akademischen Ämtern
einen hohen Preis bezahlen. Spätestens jetzt gilt er als politisch äußerst unzu-

Charakter dieses Begriffes, der der Gedankenwelt der LTI (Lingua Tertii Imperii, Viktor
Klemperer) verpflichtet war.
3 Vgl. dazu das Zitat bei Brun, Leben (wie Anm. 1), S. 131, aus den »geheimen Lageberichten des
Sicherheitsdienstes der SS«.
4 Über die Rostocker Zeit von Mitteis jetzt grundlegend Michael Buddrus/Sigrid Fritzlar, Die
Professoren der Universität Rostock im Dritten Reich. Ein biographisches Lexikon. München
2007, S. 279-282.
5 Zu den Umständen seiner Übersiedelung nach Rostock ausführlich Brun, Leben (wie Anm. 1),
S. 134 ff. und Buddrus/Fritzlar, Professoren (wie Anm. 4), S. 280 f.
6 BUDDRUS/FRITZLAR, Professoren (wie Anm. 4), S. 279 Anm. 4.
 
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