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Dendorfer, Jürgen [Bearb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Das Lehnswesen im Hochmittelalter: Forschungskonstrukte - Quellenbefunde - Deutungsrelevanz — Mittelalter-Forschungen, Band 34: Ostfildern, 2010

DOI Artikel:
Schieffer, Rudolf,: Das Lehnswesen in den deutschen Königsurkunden von Lothar III. bis Friedrich I.
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https://doi.org/10.11588/diglit.34751#0103

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102

Karl-Heinz Spiess

Erbleihe gegen einen jährlichen Zins an einen Richard vergeben. Dieser Richard
wurde am Beginn des 12. Jahrhunderts von einem Wilhelm gefangen genom-
men71, konnte aber das Lösegeld von zehn Talenten nicht zahlen und verpfändete
deshalb die Hufen an einen 1130-1141 bezeugten Roho, der für ihn das Lösegeld
entrichtete. Da Richard die Hufen nicht mehr auslösen konnte, ließ sich Roho
diese gegen einen Zins von 20 Schillingen in Erbleihe vom Dekan übertragen.
Roho zahlte diesen Zins jedoch nicht, betrachtete die Hufen als sein Eigentum
und belehnte damit einen Eberhard Flecco von Kinzdorf. Nach dessen Tod ohne
Erben belehnte er damit Heinrich Loshart von Hanau und nach dessen Tod
dessen Sohn Wigand. Als Wigand vom Tod seines Lehnsherrn ohne Erben erfuhr,
wusste er nicht, von wem er sein Lehen muten solle, und bat deshalb den
Stiftspropst um die Belehnung mit den Hufen. Der Propst, der keine Kenntnis
hatte, dass die Hufen einst für den Dekan bestimmt worden waren, verweigerte
Wigand die Belehnung und vergab die Hufen dem eingangs erwähnten Käm-
merer Dudo, ohne ihm die Mannschaftsleistung abzuverlangen. Darauf belehnte
Dudo den vorigen Inhaber Wigand, der ihm jedoch Mannschaft leisten mußte.
Dudo bekam aber vor Antritt seines Kreuzzuges Gewissensbisse wegen der Leihe
ohne Verpflichtung durch den nicht dazu berechtigten Propst und resignierte die
Hufen zugunsten der Stiftsdekanei als rechtmäßigem Besitzer. Ob und wie er sich
mit Wigand geeinigt hatte, erfahren wir leider nicht. Der Wandel der vier Hufen
vom Zinsgut zum Pfandgut, vom Pfandgut zum Eigengut, vom Eigengut zum
Lehnsgut und die unterschiedlichen Rechtstitel ihrer Inhaber werfen ein
Schlaglicht auf die Komplexität mittelalterlicher Leiheverhältnisse und machen
deutlich, dass die Lehnsverzeichnisse uns nur einen kleinen Ausschnitt aus dem
Gesamtbild liefern.

71 Der Zeitpunkt lässt sich aus dem Hinweis erschließen, wonach Wilhelm der mütterliche
Großvater des seit 1152 vorkommenden Reinbodo von Bingen war.
 
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