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Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]; Dendorfer, Jürgen [Bearb.]
Das Lehnswesen im Hochmittelalter: Forschungskonstrukte - Quellenbefunde - Deutungsrelevanz — Mittelalter-Forschungen, Band 34: Ostfildern, 2010

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Lehnswese, Treueid und Vertrauen. Grundlagen der neuen Ordnung im hohen Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.34751#0444

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Stefan Weinfurter

Lehnswesen, Treueid und Vertrauen

Grundlagen der neuen Ordnung im hohen Mittelalter
Zu Beginn des Jahres 1079, zwei Jahre nach dem Canossagang Heinrichs IV.,
sandten die Gegner des salischen Königs einen Brief an Papst Gregor VIL, den
der Chronist Bruno in seinem »Buch vom Sachsenkrieg« überliefert hat1. Im
Mittelpunkt dieses Briefes steht der Eid. Gregor VII. hatte auf der Fastensynode
am 22. Februar 1076 Heinrich IV. nicht nur aus der Kirche und aus dem Kö-
nigsamt ausgeschlossen, sondern auch die Fürsten von ihrem Treueid, den sie
einst ihrem König geleistet hatten, gelöst: a vinculo iuramenti absolvo, so lautete die
päpstliche Formel damals2. Inzwischen hatten die Fürsten einen neuen König
gewählt, Rudolf von Rheinfelden, und ihm ihren Treueid dargebracht. Aber
Papst Gregor VII. zögerte, Rudolf als neuen König anzuerkennen. Damit war für
die Fürsten des Reichs gewissermaßen das größte denkbare Unglück eingetreten.
Wenn Gregor VIL, so schrieben sie in ihrem Brief, sie doch von ihrem Eid
gegenüber Heinrich IV. gelöst habe, dann könne jener nicht mehr König sein.
»Wie kann nämlich jemand König sein«, so brachten sie das Problem auf den
Punkt, »dem niemand mehr zur Treue (fidelitas) verpflichtet ist? Wie kann der
noch sein Volk regieren, wenn er niemanden mehr dazu an weisen kann, bei
gerichtlichen Verhandlungen auf Grund des Eides ein gerechtes Urteil zu fällen?«
Hätten sie denn nun mit ihrem Eid, den sie Rudolf von Rheinfelden geleistet
hätten, einen Meineid geschworen? Und am Ende brechen sie in die Klage aus:
»Seht, welch völlige Verwirrung! Wer noch bei Sinnen ist, möge sehen, ob sich
eine solche Konfusion in der Kirche schon jemals ereignet hat. Seht, liebster Herr,
wie die Erde erschüttert und verwirrt ist«3.

1 Bruno (Merseburgensis), Buch vom Sachsenkrieg, ed. Hans-Eberhard Lohmann (MGH
Deutsches Mittelalter 2), Leipzig 1937, S. 106 ff. Zur Datierung vgl. Franz-Josef Schmale, Bruno.
Buch vom Sachsenkrieg, in: Quellen zur Geschichte Kaiser Heinrichs IV., hg. von Franz-Josef
Schmale/Irene Schmale-Ott (Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte des Mittel-
alters 12), Darmstadt 1974, S. 373 Anm. 17.
2 Das Register Gregors VIF, III, 6, ed. Erich Caspar (MGH Epp. sei. 2/1-2), Berlin 1920/23,
S. 252 ff.; vgl. Stefan Weinfurter, Canossa. Die Entzauberung der Welt, München 32007,
S. 124 ff.
3 Brunos Buch vom Sachsenkrieg (wie Anm. 1), S. 107 f.: Videte, carissime domine, quia terra commota
est et conturbata.
 
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