Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0052

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
»Was ist Europa?'

51

Projekte schon in den Kriegsjahren begonnen, die erst nach dem Ende des Kriegs
zur Publikation kamen 3^

3. Neuausrichtung ab 1945 -
»hinein in die europäische Geschichte«

In all ihrer Widersprüchlichkeit beförderten propagandistische Zugriffe auf
die Europa-Terminologie doch insgesamt deren Präsenz im publizistischen
wie im wissenschaftlichen Diskurs. Auch wenn der Erdteil-Name angesichts
der faschistischen wie der nationalsozialistischen Propaganda alles andere als
>unschuldig< erscheinen musste, avancierte er nach Kriegsende zu einer häu-
fig genannten Kategorie historischer Darstellungen: Schon die späten 1940er
Jahre und dann vor allem die beiden folgenden Jahrzehnte sahen eine regel-
rechte Flut europabezogener Studien und Publikationen, die nur vor dem Hin-
tergrund der tiefen Verunsicherung zu verstehen sind, welche die Katastrophe
zweier Weltkriege und die Block-Spaltung der >Alten Welt< verursachten.^
Das in der Geschichtsschreibung bis dahin so tief verwurzelte nationale Para-
digma war - nicht nur in der deutschen Forschung - merklich erschüttert. In
gedrängter Form bringt dies ein Diktum zum Ausdruck, das dem deutschen
Mittelalter-Historiker Peter Rassow zugeschrieben wird. Anlässlich eines
Treffens deutscher Historiker in Göttingen, bei dem es am 2. und 3. November
1946 um die Wiederbegründung eines Historikerverbands ging, habe Rassow
»die Parole ausgegeben«: »Fort aus der deutschen und hinein in die europäi-
sche Geschichte.«^
Ohne einen direkten Zusammenhang zwischen diesem Diktum und den
zeitlich folgenden Publikationen behaupten zu wollen, fällt die zumindest
phasenweise Neuorientierung einzelner deutscher Historiker doch ins Auge. Ein

103 Woolf 2004, S. 55f., verweist insbesondere auf Barker/Clark/Vaucher (Hg.) 1954, und Bowle
1948. Auch Heer 1949, S. 7, erwähnt eine erste Fassung seiner Studie aus den Jahren 1937-
1939, von der vieles im Krieg vernichtet worden sei, so dass er 1946 erneut mit der Arbeit be-
gonnen habe. Gollwitzer d 964, S. viii, datiert den Beginn seiner Studien in das Jahr 1944.
104 Schulze 1989, S. llf. und 16-21, hier 20, unterstreicht die widersprüchlichen Ansichten: Einzel-
ne Historiker gingen von einem grundlegenden Bruch aus, während andere (etwa Werner
Conze) keinen nennenswerten Einfluss auf die individuellen Arbeiten der Historiker fest-
stellten. Einzelne Veröffentlichungen herausragender Fachvertreter in den Nachkriegsjahren
zeigen allerdings, wie man mit den Mitteln der eigenen Disziplin um die Orientierung rang,
s. etwa Tellenbach 1947; vgl. die Bestandsaufnahme von Krüger 1995, S. 47-52. Werner 1995
unterstreicht den europäischem Fokus der mediävistischen Forschung, der im Material selbst
angelegt sei (ebd., S. 16) aber auch wichtige Impulse vom frz. Mediävisten Marc Bloch
erhalten habe, der seinerseits u.a. von Fritz Kern beeinflusst worden sei (ebd., S. 29).
105 Zitat nach Schulze 1989, S. 160; s.a. Schulze 1997, S. 35, und Schnettger 2010, S. 7. Rassow selbst
setzte die europäische bzw. abendländische Orientierung insbesondere in Beiträgen um, die
sich an eine weitere Öffentlichkeit richteten, s. etwa Rassow 1960 [1947] und ders. 1960 [1950].
Dabei trat der politische Charakter seiner Darstellungen offen zutage, indem er etwa die Not-
wendigkeit eines »europäischen Bundes« unterstrich, s. ders. 1960 [1950], S. 69-71 (Zitat: 70).
Zur politischen Bezugnahme auf Europa in den 1950er Jahren s. u.a. Trunk 2007; die Europa-
vorstellungen im Umfeld des »Instituts für Europäische Geschichte« untersucht Vinke 2008.
 
Annotationen