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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0105

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104

Kapitel V

den Raub der Europa noch gegen die Erzählung solch >törichter Fabeln< durch
die Götterverehrer gewandt - er sprach von der yhlw/arMm und einer
^ Von der heftigen Auseinandersetzung früherer Zeiten war in
diesem Verweis aber kaum noch etwas zu verspüren. Als Dracontius um 490
nochmals eine kritische Variante vorlegte, mag seine Präsentation daher be-
reits mehr poetisch denn religiös motiviert gewesen seinV Auch in späteren
Zeiten wurde der Mythos des Raubs in moralisierender Deutung kritisch dar-
gestellt - einschlägige Kommentare boten sich im Rahmen der verstärkten
Antiken-Rezeption des Spätmittelalters und der beginnenden Renaissance an,
soweit die mitgeteilten mythologischen Inhalte nicht ohnehin in radikal chris-
tianisierter Form wieder gegeben wurden.
Für das frühe Mittelalter ist daher festzustellen, dass die Europa-Geschichte
ab dem 5. Jahrhundert zunächst einmal als >neutralisiertes< Kulturgut tradiert
wurde und nicht mehr die polemische Positionierung herausforderte, die bei
früheren christlichen Autoren zu beobachten war.is Spannt man den zeitlichen
Bogen allerdings weiter bis zur Rezeption antiker Texte im Umfeld der Hu-
manisten, so begegnet man erneut recht drastischen Formulierungen, die sich
in ihrer moralischen Wertung von Jupiters Verhalten nicht einschränken: Jodo-
cus Badius, der als Humanist und Buchdrucker bekannt wurde, erläuterte in
seinem Kommentar zur Schrift »Parthenice Catharinaria« des Baptista Man-
tuanus 1499, dass Jupiter mit Europa sein Spiel getrieben und sie überwältigt
habe (% fot/c J...J cf opprcssa csf). Erst dann bot er die üblichen weiteren
Informationen zur Geschichte der Prinzessin und auch einen knappen Hin-
weis auf das Sternbild des Stiers.^

2. Der Mann Europa: Europs

Weniger verbreitet als der Gründungsmythos der Prinzessin Europa, aber
dennoch immer wieder präsent, ist eine zweite namensgebende Figur: König
Europs habe zur Zeit Abrahams und Ninus' über den Erdteil im Nord westen
der Welt geherrscht und ihm seinen Namen verliehen.^ Zuweilen entfiel die
Erklärung der Benennungstradition, während die Herrscherfigur des Europs

16 Aurelius Augustinus, De civitate Dei, hg. Dombart/Kalb 1955, Bd. 2, S. 602f. (XVIII12; Zitat:
603); s.a. Fischer 1957, S. 8f., dessen Darstellung (»Ruhig berichtet Augustin [...]«) den Ton
des Kirchenvaters allerdings nicht angemessen wiedergibt.
17 Dracontius, Romulea, hg. Wolff 1996, S. 35-37 (VIII556-585); vgl. ebd., S. 64 (X 311-319);
s. hierzu Fischer 1957, S. 9.
18 Allerdings ist weiterhin auf vereinzelte Passagen hinzuweisen, in denen Jupiters Verwand-
lungen und Ehebrüche kritisch erwähnt wurden, etwa am Ende des 9. Jhs. bei Heriger von
Lobbes, Uita tertia Ursmari Lobiensis, hg. Strecker 1937, S. 189.
19 Jodocus Badius, In Parthenicen Catharinariam Baptiste Mantuani expositio, hg. Orbän 1992,
S. 467 (Zitat); s.a. ebd., S. 469, 535, 556 und 566 (vier größte Flüsse aus den Alpen: Po, Donau,
Rhein und Rhone).
20 Hieronymus, Interpretatio chronicae Eusebii Pamphili, in: PL 27, Sp. 57f. Die Nachricht zu
Europs steht in der antiken Historiographie u.a. bei Justin, Epitome, hg. Seel d 972, S. 70
[VII 1,6]: Ex aiio latere in Enropa regnnm Europas nomine fennif. Vgl. Zecchini 1986, S. 163.
 
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