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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0323

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322

Kapitel XII

wegs in angemessener oder gar erschöpfender Darstellung wiedergeben.
Wichtig erscheint mir als Resultat dieser kurzen Sichtung aber zweierlei:
Zum einen rückte Europa auf lange Zeit keineswegs, wie man es eigentlich
erwarten könnte, in den Status eines privilegierten Erdteils ein, sondern musste
sich zumeist mit einem zweiten Rang begnügen. Erst in der Mitte des 15. Jahr-
hunderts begegnen Texte, die ein immer klareres und stärkeres Lob des Erdteils
enthalten, wobei der Einfluss humanistischer Gattungs- und Sprachkonven-
tionen nicht unterschätzt werden sollte - in diesem Sinne scheint es signifi-
kant, dass ein besonders markantes Beispiel aus der Feder des italienischen
Humanisten Lorenzo Valla stammt: Wenn für ihn Europa ohne jeden Zweifel
über den anderen Erdteilen stand, so resultierte dies weniger aus seiner ge-
nuinen Eigenart, sondern vielmehr aus der historisch-kontingenten Erschei-
nung, dass sich durch die fortdauernde Existenz der Christenheit hier das
römisch-lateinische Erbe in einer Form hatte erhalten können, die seine Be-
freiung von der >barbarischen Überformung< möglich machte.^
Zum anderen ist für die Zeit des späten Mittelalters festzuhalten, dass sich
die Motive und Bildwelten in einem steten Fluss befanden, der die Etablie-
rung einer festen Zuordnung und Hierarchie verhinderte - zu erkennen ist
dies vor allem an der ambivalenten Stellung des reichen und doch zugleich
gefährlichen Asien. Ausgehend vom hiermit knapp skizzierten vergleichenden
Blick, der Europa in seiner Einbettung in die Trias der Erdteile her betrachte-
te, sollen nun die spätmittelalterlichen Ansichten zur >inneren Ausgestaltung<
zusammen getragen werden.

1. In Europa - die größten, schönsten, besten?

Trotz der inhaltlich ambivalenten Befunde der vorangegangenen Kapitel, ist
angesichts der zahlreichen Texte, die den Europa-Namen benutzten, das weit-
verbreitete Urteil nicht zu halten, Europa sei im hohen und späten Mittelalter
ein »seltener Begriff«A Da für eine sichere Einstufung als >selten< oder >nicht
selten< keine klaren Kriterien im Sinne eines quantifizierenden Zugriffs existieren,
ist die Frage nach der Verwendung des Begriffs über die Kreise gelehrter Debat-
ten hinaus von besonderem Interesse - könnten einschlägige Beobachtungen
doch zumindest Indizien für die Wahrnehmung und den Wissenshorizont

24 Siehe Moeglin 2002, S. 30-32. Auf der anderen Seite begegnen auch im 16. Jh. noch Einschät-
zungen, die Europa vorrangig mit den anderen Erdteilen gleichstellen und keinen Vorrang
behaupten, s. etwa Spangenberg 1585, S. 2 (c. 1): Das dritte tded der Wett nennen wir Enropam /
darinnen wir sind / ist gegen die vorigen dq/de zn rechnen / an der grosse / das Deineste / ader an
FrMcdfdardeif / Gedanwen nnd Ei/nwodnern / nicdt geringer dann der andern eins / ader dauon datd
weiter. Zu den sprachlichen Vorlieben s. Tunberg 1996, S. 130, mit dem Hinweis, dass man-
che Humanisten es vorzogen, einen neuen Begriff zu prägen, statt einen alten fälschlich zu
gebrauchen oder auf ungeschickte Umschreibungen zurückzugreifen.
25 Vgl. exemplarisch Sattler 1971, S. 32f.: »Denn eines ist gewiß: Europa ist für mittelalterliche
Autoren ein seltenes Wort, und die oben besprochenen anderen Ausdrücke wie Okzident,
cdristianitas u.a. sind ihnen viel gebräuchlicher und selbstverständlicher.«
 
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