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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0098

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IV. Erste Blicke der Erben -
Europa zwischen frühem Christentum und
paganer Wissensliteratur
An der Schnittstelle von Antike und Mittelalter stellt sich zunächst die Frage,
ob und wie die für die spätere Entwicklung des Christentums zentralen Auto-
ren auf Europa rekurrierten? Bei aller Bedeutung des pagan-antiken Schrifttums,
dem, wie gezeigt, mancherlei Hinweise auf eine ideologische Aufladung und
Bevorzugung Europas entnommen werden können, ist doch festzuhalten,
dass derlei Aussagen und Ideen zunächst einmal den Weg in christliche Tra-
dition finden mussten, die für die folgenden Jahrhunderte prägend wurde.
Wendet man sich mit dieser Frage dem Werk des Augustinus zu, wird
man (vielleicht wenig überraschend) zunächst enttäuscht: Der nordafrikani-
sche Kirchenvater konnte offensichtlich mit dem Erdteilen kaum etwas anfan-
gen. Ein solcher Befund war angesichts der Denkstruktur seines Hauptwerks
»De dvitate Dei« allerdings auch zu erwarten, da die materielle Welt aus des-
sen Sicht lediglich den konkreten Handlungsrahmen für die widerstreitenden
Prinzipien einer duzhzs Dez und einer ddhzs ferrena bot. Neben dieser stark
spiritualisierenden Tendenz wirkte sich auch der Bezug auf die konkreten
Vorgaben des Bibeltextes aus: Augustin bot ausführliche Informationen zu
den drei Söhnen Noahs und ihren Nachkommen, verwies im Gegensatz zur
späteren Deutungstradition an dieser Stelle aber nicht auf die Erdteile.^ Im
stärker polemischen Kontext der ersten Bücher seines Werks, in denen er die
Christenheit gegen den Vorwurf verteidigte, sie habe den Niedergang Roms
heraufbeschworen, findet sich ein kurzer Hinweis auf die Verheerungen, die
Europa und Afrika in den punischen Kriegen erlitten hatten.^
Dabei ist festzuhalten, dass Augustinus die Erzählung von der Prinzessin
Europa und deren Entführung, die er dem kretischen König Xanthus zu-
schrieb, durchaus kanntet Er zog von diesem rationalisiert dargestellten My-
thos aber keine Verbindung zu den Erdteilen, deren Struktur er gewisser-
maßen nebenbei in einem Kapitel über die drei großen Reiche zur Zeit Abra-
hams erläuterte: Am mächtigsten sei jenes der Assyrer unter König Ninus

1 Aurelius Augustinus, De dvitate Dei, hg. Dombart/Kalb 1955, Bd. 2, S. 498-500 (XVI1-3). Zum
philosophischen Denken Augustinus' s. Hom ^2001; zu Leben und Ausbildung s. die magistra-
le Darstellung von Brown 2000 [engl. Orig. 1967]. Die Struktur der cw;'6?üs-Lehre skizziert
kenntnisreich Schindler 1979, S. 680-683; ebd., S. 646-656, zur Biographie. Für Leff 1979, S. 699,
»waren die meisten Denker des Mittelalters bis zur Mitte des 13. Jhs. >Augustinianer< - sei es
auch nur deswegen, weil ihnen keine Alternative zum Entwurf Augustins bekannt war.«
2 Aurelius Augustinus, De dvitate Dei, hg. Dombart/Kalb 1955, Bd. 1, S. 97 (III31); vgl. auch
die auf das 6.-8. Jh. zu datierende Kompilation von (Ps.-)Aurelius Augustinus, Contra philo-
sophos, hg. Aschoff 1975, S. 70.
3 Aurelius Augustinus, De dvitate Dei, hg. Dombart/Kalb 1955, Bd. 2, S. 602f. (XVIII12); vgl.
zu dieser knappen, rationalisierenden Darstellung das folgende Kap. V1. Buhler 1966, Sp. 985,
unterstreicht die Singularität der Version eines Raubs durch Xanthus.
 
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