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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0076

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»Was ist Europa?'

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6. Ein melancholisches Konzert alter Melodien -
zum Stand der Dinge

Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen ist die Entwicklung der
mediävishschen Beiträge zu den Europa-Vor Stellungen des Mittelalters knapp zu
resümieren: Intensive Quellenarbeit wurde vor allem in den Pionier Studien
Fischers und Hays geleistet, deren Resultate die Basis für die späteren Untersu-
chungen und Darstellungen boten. Dieser Verlauf führte im Ergebnis zu einer
eigentümlichen Situation: Zum Ersten wurden in den zahlreichen Publikationen
insbesondere der Zeit seit den 1990er Jahren kaum neue Quellenbefunde vor ge-
legt. Ausnahmen von dieser Regel stellen lediglich kleinere Untersuchungen zum
Europa-Begriff in der byzantinischen Welt, sowie zur spezifischen Quellen-
gattung der mittelalterlichen Kartographie dar7^
Auf dieser gleichbleibenden Basis bauten zum Zweiten im Verlauf des
Forschungsgangs ganz unterschiedliche Deutungen auf, wie insbesondere die
nach 1989/90 im Umbruch begriffene Einschätzung des Verhältnisses von By-
zanz zu Europa verdeutlicht. Ebenso wie der eigentliche Beginn einer begriffs-
geschichtlichen Untersuchung der Europa-Vor Stellungen des Mittelalters in der
unmittelbaren Zeit nach dem 2. Weltkrieg deutet auch diese Umbewertung
bei weitgehend gleichbleibender Quellengrundlage stark aut eine Beeinflussung
der historischen Deutung durch das politisch-soziale Umfeld der betroffenen
Historikerinnen und Historiker hin, die mit ihren Arbeit auf Fragen und Be-
dürfnisse der sie umgebenden Gesellschaften reagieren.
Zum Dritten aber lassen sich die grundlegenden Vorstellungen der Fach-
wissenschaft den Neubewertungen der letzten zwei Jahrzehnte zum Trotz auf
eine Weise zusammenfassen, die weitgehend den schon von Fischer und Hay
erreichten Einsichten entspricht. Damit gleicht der inhaltliche Stand der For-
schung zu den Europa-Vorstellungen des Mittelalters weiterhin dem Bild, das
Rudolf Hiestand 1991 in einem souveränen Überblick skizzierte und das sich
in knapper Form wie folgt zusammenfassen lässt:
1) Grundsätzlich sei festzuhalten, dass Europa als Begriff im Mittelalter
kaum eine Rolle spielte - so benutzten insbesondere die Autoren der großen
historiographischen Werke das Wort nur selten, in die Urkundensprache
drang es so gut wie nicht ein V"
2) Eine gewisse Popularität ist im Umfeld des karolingischen König-
und Kaisertums festzustellen. Zwar erschien der Europa-Begriff in den Urkun-
den Karls des Großen nicht, dieser wurde aber von den Panegyrikern seines
Hofes als p%fer Ei/royac und als Herrscher über den Erdteil besungen. Insbeson-

236 Vgl. die in Kap. II, Anm. 203 genannten Titel zu Byzanz, sowie von den Brincken 1973a und
einzelne Beiträge in Baumgärtner/Kugler (Hg.) 2008. Für spätmittelalterliche Befunde aus
dem lateinischen Westen s.a. Oschema 2001; eine Gesamtdarstellung zur Geschichte der
Europa-Vorstellungen bietet u.a. Schmale 2000.
237 Hiestand 1991, S. 36 und 39. Entsprechend weist auch die Anthologie von Hersant/Durand-
Bogaert (Hg.) 2000 nur wenige mittelalterliche Textanteile auf. Die unter der Rubrik »Fusees«
präsentierte Auswahl kurzer Zitate springt von Herodot zu Erasmus, ebd., S. 929-936.
 
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