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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0090

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Europa in der Antike

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ihres Verlaufs, zurrt anderen aber auch die Bedeutung, die ihr von einzelnen
Autoren zugeschrieben wurde A
In der griechisch-römischen Antike blieben die äußeren Grenzziehungen
des als Europa bezeichneten geographischen Raums lange im Fluss: Zunächst
ist eine >kleinräumige< Interpretation, die den Europa-Begriff zur Bezeichnung
Mittelgriechenlands und des thrakisch-makedonischen Nordens nutzte, von
der heute geläufigen Zuschreibung an den Gesamtkontinent zu unterschei-
den.^ Die eng gefasste Sprachtradihon ist als älteste geographische Verwendung
des Europa-Namens erstmals in einem Apollon-Hymnus des frühen 6. Jahr-
hunderts v. Chr. nachzuweisen und wirkte weit über die Antike hinaus^': In
byzantinischer Zeit existierte weiterhin eine Provinz Europa, die in der Reichs-
reform Diokletians im späten 3. Jahrhundert n. Chr. der Diözese Thrada zuge-
schlagen wurde^, und Synodalakten der frühchristlichen Zeit spiegeln das
Fortleben dieser regionalen Bezeichnung widerA Noch kleinteiliger stellen
sich lokale Benennungen dar, die sich auf Städte oder Flüsse vor allem in Ma-
kedonien, aber auch in Kleinasien bezogen A
In einer zweiten, erweiterten Benennungstradition wurde der Europa-Na-
me daneben auch schon früh für den gesamten Erdteil genutzt, der sich west-
lich des Bosporus bis zur Atlantikküste hin erstreckte. Die Entwicklung der
geographischen Tradition kann an dieser Stelle nicht im Detail verfolgt wer-
den, wohl aber sind ihre grundlegenden Züge zur Orientierung zusammenzu-
fassen: Die Gegenüberstellung zweier Erdteile, nämlich Europas und Asiens,
ist bei Hekataios von Milet um 500 v. Chr. belegt und kannte wohl bereits Vor-
läufer in der ionischen Geographie (s. Abb. 1)A Auch die Erweiterung dieses
Bildes auf drei Erdteile kann wohl Hekataios zugeschrieben werden, während
Herodot sich noch im 5. Jahrhundert v. Chr. in seinem Werk polemisch gegen
die existierenden Versuche wandte, die Ökumene darzustellen ds Sein Unver-
ständnis galt dem Bestreben, die eine Erde in unterschiedliche Stücke zu unter-
teilen, der Unsicherheit bei der Grenzziehung sowie der Frage der Benennung,
da ja die mythische Figur der Europa niemals den nach ihr benannten Erdteil

41 Vgl. allgemein zur mentalen Konstruktion von Grenzen in der Antike die Beiträge in Albertz/
Blöbaum/Funke (Hg.) 2007; näher zur kulturellen Produktivität der Grenze s.u. Kap. X 3.2.
42 Olshausen 1998, Sp. 290; Milani 1998, S. 35; Demandt 1998, S. 139f.
43 Ausführlich Jouanna 2009, S. 27-30; Demandt 1998, S. 139; s. (Ps.-)Homer, Hymnen, hg. Hu-
bert '4 976, S. 89f. (An Apollon, vv. 250ff.).
44 Girardet 2006, S. 63f., mit Abb. 9; Ditten 1968, S. 500. Zu einer knappen Darstellung der Ent-
wicklung s. Ferrary 1994, S. 46f. und 53f. Vgl. als späteren Beleg die Auflistung im Provindale
vetus, hg. Skegro 2005, S. 42, die Europa nach der Scii/A? inferior führt und erwähnt, dass
Konstantinopel hier liege, welches früher Liens bzw. BizaniiMm genannt worden sei. Das
»Provinciale Vetus« wurde in den PL in die Zeit Karls des Großen gesetzt, Skegro stellt dem-
gegenüber den hochgradig kompilatorischen Charakter heraus, der Material aus spätantiker
Zeit mit Informationen verbindet, die bis in das 12. Jh. führen.
45 Siehe Kap. V 4.
46 Jouanna 2009, S. 31f.; Girardet 2006, S. 27f. mit Abb. 1; Cobet 1996, S. 409.
47 Zimmermann 1997, S. 296f.; vgl. auch Girardet 2006, S. 35f., mit Verweis auf Anaximander
von Milet. Von einer schlichten Zweiteilung, die erstmals bei Hekataios aufscheine, gehen
u.a. aus Demandt 1998, S. 139, und Wintle 2009, S. 90f.; s. Hekataios, hg. Jacoby 1923, S. 16ff.
48 Zimmermann 1997, S. 294—296; vgl. Baumgärtner 2008, S. llf., und Cobet 1996, S. 409.
 
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