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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0112

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Von der Antike ins Mittelalter

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nach einem neuen Ort, den man schließlich durch die Eingebung Gottes auf der
anderen Seite des Meeres in Europa fand.'''
Ganz nebenbei macht der Blick auf die Grenzvorstellung auch deutlich, dass
die Konkurrenz unterschiedlicher Gliederungsmodelle der bekannten Welt in
zwei, drei oder gar vier Erdteile immer stärker als Perspektivierungsfrage be-
handelt wurde. Schon bei Augustinus und Orosius klang diese Tendenz an,
wiesen doch beide Autoren darauf hin, dass das Ergebnis der Betrachtung letzt-
lich von den eigenen Vorgaben abhing^: Wenn man in der Welt gemäß der Aus-
richtung nach Ost und West zwei Hälften unterschied, so nahm Asien alleine
eine davon ein, während Europa und Afrika sich die zweite teilten. Isidor stellte
zu Beginn seiner Beschreibung des or&ts nun kategorisch fest, dass die Erde in
drei Teile gegliedert werde und nannte - Augustinus zitierend - die Alterna-
tive einer Zweiteilung lediglich als perspektivische Option (st tn tütas partes
f.. J dündas).53
In einem schleichenden Prozess, der als Verfestigung eines Topos zu ver-
stehen ist und nicht als Klärung durch weiterführende empirische Befunde,
setzte sich die Vorstellung eines dreigeteilten or&ts also fortschreitend durch.
Da die >klassische< Fassung des Topos die Erdteile gewissermaßen ihrer Grös-
se nach nannte (Asien, Europa, Afrika), schließt sich die Frage an, welche Be-
deutung einer Umkehrung der Nennungs-Reihenfolge beizumessen ist, wie
sie Fischer am Beispiel Alkuins feststellte.^ Gegen eine allzu starke Inan-
spruchnahme solcher Befunde spricht allerdings schon der Sprachgebrauch
bei Isidor von Sevilla selbst: In seiner zwischen 613 und 621 entstandenen
Schrift »De natura rerum« wich er nur wenig von den Formulierungen der
»Etymologien« ab, zählte die drei Erdteile aber als Europa, Asien und Afrika
auf.55 Ob hiermit aber sogleich eine besondere Wertung und Hervorhebung
des >eigenen< Erdteils verbunden sein sollte, ist unklar - weitere Indizien für
besondere Aufladungsprozesse bietet der Text nicht.

51 Adamnan von Hy, De locis sanctis, hg. Bieter 1965, S. 227 (III2). Beda Venerabilis, De locis
sanctis, hg. Fraipont 1965, S. 279 (c. 19), griff diese Darstellung erneut auf und lieferte eine
verknappende Variante, die ebenfalls auf die Grenzlage zwischen Europa und Asien ab-
zielte, sowie auf den schließlichen Bau der Stadt in Europa.
52 Sieheoben, S. 101.
53 Isidor von Sevilla, Etymologiae, hg. Lindsay 1911, XIV 2,1-3; vgl. Aurelius Augustinus, De
civitate Dei, hg. Dombart/Kalb 1955, Bd. 2, S. 521 (XVI17).
54 Siehe Kap. V, Anm. 79; vgl. bereits Beda Venerabilis, De natura rerum liber, hg. Jones 1975,
S. 233 (c. 51): Eerrarnm orNs Mninersns, Oeeano einetMS, in tres diMiditnr partes; Enropam, Asiam,
A/ricam. Immerhin erläutert Beda anschließend, dass Asien den beiden anderen Erdteilen an
Größe gleich sei, s. ebd., S. 234 (c. 51): (...) inter i;as Asia magnitMciine compar est aiiis dnaEns.
55 Isidor von Sevilla, De natura rerum, hg. Fontaine 1960, S. 325 (XLVIII2): Regio aaiem terrae
cÜMiditMr tri/ärie, e ^MÜws nna pars Enropa, aitera Asia, tertia A/rica nocatnr.
 
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