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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0166

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Auf dem Weg in ein neues Jahrtausend?

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den Europa-Begriff immer seltener nutzten. Dass diese Einschätzung nicht voll-
umfänglich zu trifft, haben bereits einige der zitierten Belege gezeigt, so etwa
die emphatische Formel der mater Europa aus den Quedlinburger Annalen.^
Andererseits ist einzuräumen, dass die Feststellung des schwindenden Begriffs-
gebrauchs durchaus nicht vollkommen aus der Luft gegriffen ist, wie das Beispiel
der irischen Annalistik zeigte.^
Tatsächlich bieten die bislang bei der Analyse weitgehend im Mittelpunkt
stehenden historiographischen Texte des Reichs und der angrenzenden Gebie-
te, die über die Edition in den Reihen der Monumenta Germaniae Historica
zugänglich sind, ein Bild, das mit der generellen Einschätzung weitgehend
übereinstimmt: Wer etwa die berühmten Chronikwerke Frutolfs von Michels-
berg und Ekkehards von Aura oder auch Adams von Bremen nach einschlägi-
gen Belegen durchsucht, wird bei der Lektüre weitgehend enttäuscht. Zwar
finden sich hier durchaus Europa-Nennungen, aber nur selten bedeuten diese
eine produktive Anwendung des Begriffs: Vielmehr steht in den meisten Fällen
die Tradierung fest etablierter Bildungsinhalte im Vordergrund, also das Fort-
schreiben klassischer Vorbilder in der Historiographie. So wies Frutolf von
Michelsberg einleitend auf die Figur der Europa und auf König Europs hin,
zitierte aus Fredegar die Nachricht von Frandos Weg nach Europa und ge-
brauchte die Erdteil-Namen im Umfeld der Alexandergeschichte sowie bei
seiner Hieronymus entlehnten Schilderung der makedonischen Kriege.^
Trotz aller berechtigten Skepsis an der Bedeutung solcher Verweise, denen
problemlos weitere mehr oder weniger unproduktive Fortschreibungen in Form
historiographischer Zitate an die Seite zu stellen wären, sollten diese Passagen
nicht unterschätzt werden: Sie tradierten in dichter Folge weiterhin den Begriff
Europa und damit verbundene Wissensinhalte, auch wenn diese insgesamt
recht stereotypen Charakter besaßen. Auf dieser Grundlage konnte der Erdteil-
Name durchaus auch in bislang ungewohnten Zusammenhängen oder im Blick
auf die jüngere Vergangenheit Anwendung finden: So ging Sigebert von Gem-
bloux (+1112), in dessen Werk der Europa-Name nur zweimal stand, anläß-
lich seiner Darstellung der Schlacht von Tours und Poihers deutlich über seine
Vorlage, die Fortsetzung der Fredegar-Chronik, hinaus. Ganz im Sinne der um
1100 kultivierten Vorstellungen von der Ausbreitung des Islam konstatierte er
nämlich, dass die »Sarazenen fast ganz Asien, ganz Afrika und einen großen
Teil Europas erobert hatten«. Lediglich Karl Martells engagiertes Eingreifen,
dem Gott hilfreich zur Seite sprang, konnte nach Sigebert die Eroberung Gall-
iens verhindern.^ Damit bot seine Chronik einen der ersten bekannten Belege

15 SieheKap. VI, Anm. 118.
16 Siehe oben, S. 168.
17 Ekkehard von Aura, Chronicon, hg. Waitz/Pilon 1844, S. 33f., 36,40, 44, 63, 75f. und 82 [Frutolf
von Michelsberg]. Die Nachricht Fredegars zur trojanischen Herkunft der Franken und Fran-
cios Zug nach Europa teilt auch mit Sigebert von Gembloux, Chronica, hg. Bethmann 1844,
S. 300.
18 Sigebert von Gembloux, Chronica, hg. Bethmann 1844, S. 331 (ad a. 738): Sic Saracem's, ^M; fofam
paene As;am, fofam D'Nam mMdam^Me parfem FMropae äwaseranf, KaroDs De; aMxdio, SMa indMsfn'a
Frar;cor;;mpac /brf d;;dr;c omnem spem dwadend; Gadias adsOdd. Diese Darstellung fand später Ein-
gang in die Grandes chroniques de France, hg. Viard 1920-1953, Bd. 2, S. 230 (V 27): Ens; er; cda^a
 
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