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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0360

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Europa als Einheit zwischen Zustand und Vision

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gehend folgt, setzt diese Karte den Westen aus der Sicht des Betrachters nach
rechts. Vor allem macht sie aber im Wortsinne augenfällig, dass die Grenzen
zwischen den Klimata nicht mit jenen der Erdteile in Einklang zu bringen waren.
Noch feiner ausdifferenziert führt dies eine Karte im Werk Louis de Langles
vor, die unter anderem klare Klimagrenzen zwischen Spanien, Rom, Ligurien
und Lrankreich zeigt, während sich etwa Deutschland und Griechenland hier
über das fünfte und sechste Klima erstrecken (Abb. 6).' ^ Allerdings war diese
kartographische Darstellung nicht originell, sondern stellt vielmehr eine Kopie
jener Karte dar, die bereits Pierre d'Aittys »Ymago mundi« illustrierte^, so
dass von einer größeren Verbreitung auszugehen ist."'
Wenngleich also dem Khmaten-Modell zufolge allgemeine Grundvorgaben
die physiologische und kulturelle Prägung menschlicher Gesellschaften in
größeren regionalen Einheiten bestimmten, so ließ sich diese Vorstellung doch
nicht ohne weiteres auf die Erdteile umlegen, die sich diesem Raster eben ent-
zogen. Darüber hinaus stellten einzelne Autoren die Gültigkeit althergebrachter
Lehrsätze zuweilen auch in Frage: Ein immer wiederkehrendes Motiv bildet
etwa die Vorstellung von den Äthiopiern, die aufgrund ihrer Nähe zur Sonne
schwarz seien. Pierre d'Aitty teilt dies unter Berufung auf Ptolemaeus mit, er-
läutert aber zugleich, dass dieser an anderer Stelle ausführe, das äquatornahe
erste Klima sei besonders wohltemperiert.^ Auch für weitere Effekte will er
keine absoluten Lehrsätze zulassen, sondern bestenfalls Tendenzen erkennen:
Ungebrochen stehen daher bei d'Aitty die Hinweise auf die monströsen Rassen
in den extremen Gebieten im Norden und vor allem im Süden der bewohnbaren
WelP derlei Effekte seien aber mit Randpositionen nach Osten und Westen
nicht verbunden V Die aristotelische Lehre von der klimabegründeten Exzellenz
der Griechen will der Autor ebenso wenig kommentarlos gelten lassen wie die
auf Hali zurückgeführten Unterschiede der Völker im Osten und Westen. Angeb-
lich seien die Völker des Ostens, also der valorisierten >rechten< Seite der Wett'",
besonders für die Wissenschaften geeignet, während der Einfluss des Mondes

115 Louis de Langte, De figura seu imagine mundi; St. Gallen, Kantonsbibliothek Vadiana, VadSlg
Ms. 427, fol. 125r.
116 Für eine Handschrift von ca. 1417 s. von den Brincken 1992, Abb. 46 (Brüssel, KBR, Ms. 21198-
21204, fol. 4'), vgl. auch Pierre d'Ailly, Ymago mundi, hg. Buron 1930, Bd. 3, nach S. 686 (nach
Nancy, Bibliotheque Municipale, ms. 441). Die Karte wurde zwar im Kontext der Sammlung
des »Ymago mundi« überliefert, angefertigt wurde sie aber wohl 1427 durch Clavus/Claudius
Cymbricus im Auftrag von Guillaume Fillastre dem Alteren, s. ebd., Bd. 3, S. 755-759.
117 Dem Werk Louis de Langles war dagegen weniger Erfolg beschieden; Hustache 1980, Bd. 1,
S. 20-23, beschreibt vier lateinische Hss., von denen eine lediglich einen Auszug enthält, sowie
eine Hs. mit einer französischen Übersetzung: Paris, BnF, ms. lat. 6561; Madrid, Bib. nac.,
ms. 9267; St. Gallen, Kantonsbibliothek Vadiana, VadSlg Ms. 427; Florenz, Bib. Riccardiana,
ms. 3011 (Auszug, wohl auf Grundlage der St. Galler Hs.); Paris, BnF, ms. fr. 612 (frz. Ubers.).
118 Pierre d'Ailly, Ymago mundi, hg. Buron 1930, Bd. 3, S. 646.
119 Ebd.,Bd. 1,S.240.
120 Ebd.,Bd. 1,S.242.
121 Schon Jahre vor Pierre d'Ailly erläuterte Nicole Oresme, dass die >links-rechts-Zuteilung<
der Erdquadranten eine Frage der Perspektive sei. Insgesamt kam er daher zum Schluss,
dass »wir besser untergebracht [seien] als die aus dem Orient«, s. Nicole Oresme, Le livre du
ciel et du monde, hg. Menut/Denomy 1968, S. 354 (II7): Ff &uanf/M monsfre per HMfres nn'sons
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