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Oschema, Klaus; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Bilder von Europa im Mittelalter — Mittelalter-Forschungen, Band 43: Ostfildern, 2013

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https://doi.org/10.11588/diglit.34759#0362

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Europa als Einheit zwischen Zustand und Vision

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mit seiner Fokussierung auf die konkrete göttliche Schöpfung, die zugleich den
Rahmen für den Ablauf der göttlichen Heilsgeschichte bietet.
Konkret ist daher zu fragen, ob die Zeitgenossen des hohen und späten
Mittelalters in ihrer Sicht des historischen Verlaufs den Europa-Begriff an die
Vorstellung der Christenheit artnäherten? Wurde ihnen der Erdteil zum christ-
lichen Kontinent^ so wie er aus der Perspektive moderner Analysen gerne dar-
gestellt wird?^6 Auf den ersten Blick führen diese Fragen zunächst zu wenig
ertragreichen Befunden, da die universalhistorisch orientierten Werke des Mit-
telalters die Marksteine der religiösen Entwicklung in erster Linie zu einer zeit-
lichen Gliederung nutzten.'^ Angesichts dieser Schwerpunktsetzung auf der
Chronologie erscheint eine territoriale Ausdeutung der religiösen Verortung
zunächst unwahrscheinlich, insofern sie über die symbolisch aufgeladenen
Orte des biblischen Heilsgeschehens hinausgeht: Die etablierte Ordnung der
historischen Gesamtschau unterschied in erster Linie die großen Epochen nach
ihrem Verhältnis zur göttlichen Offenbarung, deren Erfüllung sich in einem
globalen Prozess ergeben musste. Wichtiger als der Weg der Christen (oder
auch der >Japhehten<) in einen bestimmten Erdteil war den Autoren damit eine
zeitlich orientierte Betrachtung, die etwa zwischen einer Ara vor dem Gesetz
(der Zehn Gebote), unter dem Gesetz und unter der Gnade des christlichen
Erlösungswerks unterschied, oder alternativ die Abfolge der großen Reiche
der Babylonier, der Perser, der Griechen und der Römer in den Vordergrund
stellte.^ Als Abschluss der historischen Entwicklung stand zudem durch die
biblischen Schriften, insbesondere natürlich das Buch der »Offenbarung«, die
Errichtung des Gottesreichs und des »neuen Jerusalems« als ewig andauernde
Ordnung in Aussicht (Apk 21,1-22,5) W
Neben diesem chronologischen Anspruch auf eine Universalität, die sich an-
gesichts der fortgesetzten Existenz von >Ungläubigen< erst noch in der Zukunft
erfüllen musste, bestand aber auch ein Anspruch auf räumliche Universalität,
die aus der Sicht der hoch- und spätmittelalterlichen Autoren vorrangig mit
der Vergangenheit verbunden war: Ab dem späten 11. Jahrhundert finden
sich im Gefolge der Kreuzzugsbewegung vermehrt Texte, die von einer prak-
tisch universalen Ausbreitung des christlichen Glaubens in der Zeit der Kir-
chenväter berichteten. Erst nach der Entstehung und Ausbreitung des Islam
habe die Kirche die einst beherrschten Gebiete in Afrika und Asien wieder

126 Zuletzt Helmrath 2010; vgl. die Meditationen von Reale 2004, aber auch wissenschaftliche
historische Beiträge wie Müller 2001. Differenzierter die Ausführungen von Paravicini Bagliani
1994, S. 833, der von der »europeizzazione della Chiesa romana« spricht, die aber nicht auf
der Grundlage des Europa-Konzepts stattgefunden habe, sondern auf jenem der Christenheit.
Hierauf (allerdings simplifizierend) aufbauend dann u.a. Ortalli 2004, S. 785f., und ders. 2005,
S.56-59.
127 Zur Lehre von den drei Weltaltern s. knapp Schüler 1997, mit weiterer Bibliographie.
128 Vgl. knapp van Eickels 2005, S. 107-109.
129 Vgl. etwa auch Aurelius Augustinus, De dvitate Dei, hg. Dombart/Kalb 1955, Bd. 2, S. 805-866
(XXII), hier 862-866 (XXII30), zur chronologischen Ordnung des Geschichtsverlaufs nach Er-
eignissen. Otto von Freising, Chronica, hg. Hofmeister H912, S. 390-457 (VIII), lässt sein Ge-
schichtswerk daher konsequent mit dem Ausblick auf die Apokalypse enden.
 
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