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bens und Glaubens darstellen, ohne auf deren Auffassungsweise und
Darstellungsform Rücksicht zu nehmcn, obgleich sich nicht leugnen laßt,
daß man solchen Stoffen auch meistentheils die ihnen allein zusagende
antike Gestalt zu geben suchte. Es hindert aber nichts, Gegenstande
dieser Art in einer der Antike völlig entgegengesetzten Weise aufzufassen
und darzustellen, und wir dürfen nur einen flüchtigen Blick in die Ge-
schichte des Verfalls der neueren Kunst seit den Caracci's wersen, um
diesen Ausspruch auf jeder Seite in den auffallendsten Beispielen besta-
tigt zu sehen.
Wollen wir daher innerhalb des Gebietes der christlichen Kunst die
Unterscheidung zwischen einer klassischen und romantischen Richtung gel-
ten lassen, so dürfen wir wenigstens auf keinen Fall den Gegenstand
künstlerischer Darstellung allein derselben zum Grunde legen. Hierüber
können nur der Gcist der Auffassung und die außcre Darstellungssorm
entscheiden.
Als unterscheidendes Merkmal für das Klassische würde sich dem-
nach die strcnge Gesetzmaßigkeit idealer, typischcr Kunstsorm, für das
Romantische hingegen jene naturalistische Richtung herausstellen, die
wir am ausgepragtesten in der gegenwartigen französischen Malerei auf-
treten sehen. Ohne die allgemeinen Gesetze künstlerischer Darstellung
als überflüssig von sich zu weisen, gewahrt dennoch diese Richtung so-
wohl in der Wahl wie in der Auffassungs- und Darstellungsweise der
Gegenstände eine bei weitem größere Freiheit, als die klassische, indem
si'e sich mehr an die unmittelbare vor uns liegende Wirklichkeit in Na-
tur und Leben anschließt, aber zugleich auch die reichste Mannigfaltig-
keit, ja selbst Tiese der geistigen Bezüge und Motive innerhalb des
Umfangs eines Kunstwerks gestattet. Nur der einsichtsvolle, mit gc-
bildetem Schönheitssinne begabte Künstler wird diese Freiheit nicht zur
Ungebundenheit mißbrauchen, wahrend sie in den Hânden des ersi'ndc-
rischen Geistes zur Triebfeder und zum Hebel der großartigsten und be-
ziehungsreichsten Schêpfungen zu werden fahig ist.
Nach dem angegebenen Grundsatze würde Alles, was im Geiste und
Style der antiken Kunst aufgefaßt und dargestellt ist, klassi'sch genannt
werden dürfen, und in dieser Hinsi'cht es gestattet sein, nebcn dem, was
früherhin Carstens schuf, auch das, was gegenwartig Genelli in
der Kunst leistet, vorzugsweise dieser Richtung beizuzahlen, wiewohl beide
si'ch vorzüglich darin unterscheiden, daß si'ch letzterer nicht so ausschließ-
lich, wie jcner, auf Gegenstande des griechischen Alterthums beschrankt.
bens und Glaubens darstellen, ohne auf deren Auffassungsweise und
Darstellungsform Rücksicht zu nehmcn, obgleich sich nicht leugnen laßt,
daß man solchen Stoffen auch meistentheils die ihnen allein zusagende
antike Gestalt zu geben suchte. Es hindert aber nichts, Gegenstande
dieser Art in einer der Antike völlig entgegengesetzten Weise aufzufassen
und darzustellen, und wir dürfen nur einen flüchtigen Blick in die Ge-
schichte des Verfalls der neueren Kunst seit den Caracci's wersen, um
diesen Ausspruch auf jeder Seite in den auffallendsten Beispielen besta-
tigt zu sehen.
Wollen wir daher innerhalb des Gebietes der christlichen Kunst die
Unterscheidung zwischen einer klassischen und romantischen Richtung gel-
ten lassen, so dürfen wir wenigstens auf keinen Fall den Gegenstand
künstlerischer Darstellung allein derselben zum Grunde legen. Hierüber
können nur der Gcist der Auffassung und die außcre Darstellungssorm
entscheiden.
Als unterscheidendes Merkmal für das Klassische würde sich dem-
nach die strcnge Gesetzmaßigkeit idealer, typischcr Kunstsorm, für das
Romantische hingegen jene naturalistische Richtung herausstellen, die
wir am ausgepragtesten in der gegenwartigen französischen Malerei auf-
treten sehen. Ohne die allgemeinen Gesetze künstlerischer Darstellung
als überflüssig von sich zu weisen, gewahrt dennoch diese Richtung so-
wohl in der Wahl wie in der Auffassungs- und Darstellungsweise der
Gegenstände eine bei weitem größere Freiheit, als die klassische, indem
si'e sich mehr an die unmittelbare vor uns liegende Wirklichkeit in Na-
tur und Leben anschließt, aber zugleich auch die reichste Mannigfaltig-
keit, ja selbst Tiese der geistigen Bezüge und Motive innerhalb des
Umfangs eines Kunstwerks gestattet. Nur der einsichtsvolle, mit gc-
bildetem Schönheitssinne begabte Künstler wird diese Freiheit nicht zur
Ungebundenheit mißbrauchen, wahrend sie in den Hânden des ersi'ndc-
rischen Geistes zur Triebfeder und zum Hebel der großartigsten und be-
ziehungsreichsten Schêpfungen zu werden fahig ist.
Nach dem angegebenen Grundsatze würde Alles, was im Geiste und
Style der antiken Kunst aufgefaßt und dargestellt ist, klassi'sch genannt
werden dürfen, und in dieser Hinsi'cht es gestattet sein, nebcn dem, was
früherhin Carstens schuf, auch das, was gegenwartig Genelli in
der Kunst leistet, vorzugsweise dieser Richtung beizuzahlen, wiewohl beide
si'ch vorzüglich darin unterscheiden, daß si'ch letzterer nicht so ausschließ-
lich, wie jcner, auf Gegenstande des griechischen Alterthums beschrankt.